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Ukraine-Krieg: Anfeindungen und Propaganda
Frankfurter Rundschau
Russisch sprechende Menschen in Deutschland sind mit Vorurteilen konfrontiert – und mit Fake-News. So soll offenbar Streit geschürt und Stimmung gegen Geflüchtete gemacht werden.
Frankfurt – Die Frau klingt erschüttert, wütend in ihrer auf Russisch gesprochenen Nachricht: „Jura, am Montag sind 40 Ukrainer nach Kehl gebracht worden, man hat Dolmetscher gerufen, und weil man keine ukrainischen fand, wurden russische gefragt. Die wurden dann angegriffen. Das sind ehrenamtlich arbeitende alte Frauen. Das ging so weit, dass die Polizei kam (…)“ Am Ende der Sprachnachricht flucht die Frau, die sich als Frau Krieger ausgibt. Den ukrainischen Flüchtlingen werde sie nicht mehr helfen.
Diese Nachricht bezieht sich auf Montag, 28. Februar, es geht um die baden-württembergische Stadt Kehl. Die Nachricht verbreitet sich aktuell über Messengerdienste von russischsprachigen Menschen in Deutschland. Und die Nachricht ist ein Fake. „Zu uns kamen bisher nur vereinzelt Menschen aus der Ukraine, die hatten private Kontakte“, berichtet die Sprecherin der Stadt Kehl, Annette Lipowski. Von 40 Personen könne keine Rede sein und der Vorfall habe nie stattgefunden. Auch aus dem Polizeipräsidium in Offenburg heißt es: „Im Zuständigkeitsbereich des Polizeireviers Kehl ist kein derartiger Vorfall bekannt.“
Es gibt TikTok-Videos mit ähnlichen Aussagen, zum Beispiel aus der Republik Moldau. In einem Video berichtet eine junge Frau auf Russisch, dass Moldau die Flüchtlinge aus der Ukraine herzlich aufgenommen hätte, „sogar besser als unsere eigenen Leute“, doch diese Flüchtlinge seien undankbar und benähmen sich schrecklich. Und eine dubiose Petition beim Bundestag berichtet – auf Russisch –, dass massive und viele Aggressionen gegen Russlanddeutsche und Russischsprechende erfolgten. Wer hinter den Sprachnachrichten und den Videos steckt, ist unbekannt. Die Petition stammt von einem bis vor kurzem unbekannten Verein.
Wie groß das Ausmaß echter Anfeindungen ist, ist unklar. Politisch motivierte Straftaten werden vom Bundeskriminalamt erfasst. „Seit Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine wurden keine nach der Sprache oder ethnischen Zugehörigkeit der Opfer (,russischsprachig‘) aufgeschlüsselten Fallzahlen gemeldet“, teil das Bundesinnenministerium auf Nachfrage mit. Der FR sind einige wenige Fälle bekannt. Doch darüber in der Presse berichten wollen die Menschen nicht.
Die russische Botschaft in Berlin veröffentlicht eine Liste von vermeintlichen Anfeindungen, überprüfen lassen sich nur die wenigsten davon. Ein Fall, nämlich der einer Münchner Ärztin, die keine russischen Patient:innen mehr behandeln wolle, stimmt. Doch was die russische Botschaft verschweigt, ist, dass die Frau sich entschuldigt und die zuständige Leitung der Uni-Klinik sich explizit gegen jegliche Diskriminierung von Patient:innen ausgesprochen haben.