Ukraine-Krieg – Martin Keßler: „Die Generäle sind die neuen Virologen“
Frankfurter Rundschau
Filmemacher Martin Keßler über Putins Krieg in den Medien, Militärfachsimpelei in Talkshows und die Themen abseits des Tötens.
Herr Keßler, Sie haben viele politische und gesellschaftskritische Filmdokumentationen gedreht – wie erleben Sie die Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien zu Putins Krieg in der Ukraine?
Ein Wendepunkt war die „Hart aber fair“-Sendung vom Montag voriger Woche. Da fand auch mal eine Auseinandersetzung statt, angeregt durch den Ex-General Erich Vad. Er hat kritisiert, dass Teile der Medien und der Politik eskalierend sind durch die Art, wie berichtet und geredet wird. Da würde ich die Öffentlich-Rechtlichen nicht ausnehmen. Der Krieg als Fernsehserie, die sich täglich fortsetzt: Was passiert als Nächstes? Man ist live bei einem Krieg dabei, in einer ganz anderen Dimension, als es etwa beim Irakkrieg der Fall war. Und dazu die Gefahr eines Dritten Weltkrieges.
Was ist anders?
Es wird viel subjektiver dadurch, dass Social Media genutzt werden, dass man Menschen aus der Ukraine als Quellen nimmt, die unmittelbar betroffen sind, die zu Reportern werden. Das ist einerseits ganz positiv: Die Menschen können selbst über ihre Situation berichten, wie sie beschossen werden, in ihren Kellern Schutz suchen. Auf der anderen Seite benutzt man sie auch. Die Moderatoren sagen: Schildern Sie mal, wie Ihr Tag war! Zum Teil gehen die Leute raus, drehen mit ihrem Handy. Das ist ein zweischneidiges Schwert, weil es den Krieg emotionalisiert. Und dann die Generäle, die plötzlich von „Urban Warfare“ reden, von Kriegsführung in der Stadt, von „schmutzigem Krieg“, auf einer eher handwerklichen Ebene. Eine Art von Fachsimpelei.
Waren die Medien anfangs überfordert von der Situation?