Ukraine-Konflikt: Wie Kriege gemacht werden
Frankfurter Rundschau
Putins Strategien sind die des 19. Jahrhunderts – und das von ihm in keiner Hinsicht vorangebrachte Reich steht da wie der letzte Saurier.
Wladimir Putin führt Kriege, wie sie im 19. Jahrhundert geführt wurden. Er droht. Wenn es keine resolute Antwort gibt, droht er weiter. Passiert immer noch nichts, geht er zum Angriff über. So dumm ein Zwei-Fronten-Krieg wäre, so klug ist es, gleichzeitig an mehreren Fronten zu drohen. Kommt es zum Angriff, hat der Gegner den Eindruck, es sei nur halb so schlimm. Also werden sich womöglich auch seine Reaktionen halbieren.
Seit Putin im August 1999 von Boris Jelzin zum Ministerpräsidenten Russlands ernannt wurde, bestimmt er in der einen oder der anderen Funktion die Geschichte der zweitgrößten Atommacht der Welt. Er gebietet damit auch über den größten Flächenstaat der Erde. Das ist für ihn und seine Vorstellung von sich und seinem Vaterland der vielleicht noch wichtigere Faktor.
Von Anfang an war er besessen von der Furcht, Russland könnte zerbrechen. Besser: von nach Unabhängigkeit strebenden Minderheiten zerbrochen werden. Zunächst plagte ihn der Kaukasus, dann plagte er ihn.
Den Zusammenbruch der Sowjetunion betrachtet er als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Viele Nachbarstaaten Russlands sehen das ganz anders. Sie fürchten, Putins Russland werde die Vereinbarung von Alma Ata vom Dezember 1991 revidieren. Damals hatten die Staatsoberhäupter von Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan. Moldawien, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine und Usbekistan festgestellt, dass „die UdSSR als völkerrechtliches Subjekt sowie als geopolitische Realität … ihre Existenz beendet“ habe. Die ehemaligen Sowjetrepubliken wurden unabhängig. In sehr unterschiedlichem Maße. Russland unterminiert seit Jahrzehnten das 1991er-Abkommen. Immer wieder auch militärisch.
Nichts liegt Putin ferner als die Vorstellung, der Umfang seines Imperiums hindere es an seiner Entwicklung. Er will Russland wieder groß machen. Ob so groß wie unter den Zaren oder gar so groß wie unter Stalin, als westeuropäische Staaten wie Polen und die Tschechoslowakei zum sowjetischen Imperium gehörten, weiß man nicht. Seit Jahren schon propagiert Putin, dass die Nachbarstaaten Russlands zu seiner Einflusssphäre gehörten. Sie hätten darum nichts in der Nato und auch nichts in der EU verloren. Die Vorstellung, dass es Sache der Bevölkerung sein könnte zu entscheiden, mit wem sie gehen, liegt ihm völlig fern.