Ukraine-Konflikt: Volkspropaganda via Messenger – „Das ist unser Land“
Frankfurter Rundschau
Eine Flut an Bildern aus dem Ukraine-Krieg gegen Russland überschwemmt soziale Medien. Auch sie sind eine Waffe.
Kiew - Es sind surreale Bilder. Jemand filmt vom Rücksitz eines Kleinwagens, wie er langsam an einem Panzer vorbeifährt, der in der Frühlingssonne am Straßenrand steht. „Schmeiß! Fuck, schmeiß!“, brüllt der Fahrer. Zwei Molotowcocktails fliegen aus dem Auto auf den Stahlkoloss, unklar, ob auch der Armeelastwagen davor etwas abbekommt. Aber die Tür neben dem Beifahrersitz, auf dem eine junge Frau sitzt, scheint selbst Feuer gefangen zu haben.
„Bandera-Smoothies“ nennt der ukrainische Telegram-Kanal Ostannij Blokpost (die letzte Straßensperre) die Molotowcocktails. Ostannij Blokpost verbreitet seit Beginn des Krieges in einer Endlosschleife Videos über den Konflikt aus der Sicht ukrainischer Bürger:innen und Soldaten.
In Russland wurde am Dienstag auf Anordnung der russischen Staatsanwaltschaft der Radiosender Echo Moskwy und das Internet-TV Doschd ausgeschaltet, die beiden wichtigsten Oppositionsmedien. Offizielle Begründung: gezielte Verbreitung von Falschmeldungen über Russlands kriegerische Operation in der Ukraine. Jetzt bekommt es die russische Zensur mit feindlicher Volkspropaganda zu tun, die auf die Messengerkanäle einsickert. Und die lassen sich kaum blockieren.
Außer Ostannij Blokpost gibt es die offiziellen Telegram-Adressen Operatiwnij SSU sowie Ukraina Operatiwno, außerdem den russischsprachigen Kanal RESSENTIMENT. Und auf dem Messenger Viber die ebenfalls russischsprachige Gruppe Molnija, die schon über 2,8 Millionen Mitglieder hat. Sie alle publizieren immer neue Videos von in Brand geratenen und abstürzenden russischen Kampfhubschraubern, von ausgebrannten Panzern und erbeuteten Raketenwerfen. Von Zerstörungen und Tränen. Sowie von den Begegnungen und Zusammenstößen der Zivilbevölkerung mit den feindlichen Soldaten.
Da fährt ein klobiger russischer Armeejeep auf einem Marktplatz vor, sofort stürzt sich ein gutes Dutzend Jugendlicher mit bloßen Händen auf ihn, einer klettert auf die Kühlerhaube und versucht die Windschutzscheibe einzutreten, die Russen fliehen mit Vollgas. Auf vielen Videos beschimpfen Frauen die Russen als Besatzer und Faschisten. Die frischen Sonnenblumenkerne, die eine erboste Frau einem russischen Offizier anbietet, „damit Sonnenblumen wachsen, wo ihr sterbt“, sind schon ein Internet-Meme.