Ukraine-Konflikt: Völkermord im Donbass?
Frankfurter Rundschau
Der Ukraine-Konflikt kommt weiter nicht zur Ruhe. Es gibt jedoch keine Hinweise, die Moskaus Vorwurf gegenüber Kiew stützen. Der Faktencheck.
Kiew – Diese Szene zwischen Wladimir Putin und Olaf Scholz wird in Erinnerung bleiben. Im Schlagabtausch über Krieg und Frieden verweist der russische Präsident auf die Nato-Luftangriffe in Serbien 1999. Dort habe der Westen „Krieg geführt, mit Bomben auf Belgrad“. Der Bundeskanzler kontert: „Es musste ein Völkermord verhindert werden.“ Das will Putin so nicht stehen lassen: „Was im Donbass passiert, das ist ein Genozid.“
Was ist dran an dieser Behauptung? Die Frage ist extrem wichtig. Denn ein Genozid gilt als legitimier Grund für ein militärisches Eingreifen. In der einschlägigen UN-Konvention ist Völkermord definiert als Versuch, eine „nationale, ethnische oder religiöse Gruppe zu zerstören“.
Im Donbass geht es nach Moskauer Lesart um Russ:innen oder russischsprachige Menschen, die nach Autonomie streben. Die ukrainische Regierung unterdrücke diese Gruppe und drohe mit Vernichtung. Der Beginn des Kriegs in den Regionen Donezk und Lugansk 2014 war aus Sicht des Kreml eine Folge legitimen Widerstands gegen ein „faschistisches Regime“ in Kiew.
Einem Faktencheck hält das nicht stand. Eine breite Autonomiebewegung gab es 2014 nicht. Vielmehr nutzten separatistische Gruppen die Schwäche der Kiewer Übergangsregierung zu einer Machtübernahme. Die Führungsfiguren waren meist Russen mit Verbindungen zum Militärgeheimdienst GRU. Sie inszenierten ein Referendum und schufen die „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk, die weltweit keine Anerkennung fanden.
Die ukrainische Armee begann Ende Mai 2014 eine „Anti-Terror-Operation“. Die Offensive mündete in den Donbass-Krieg. Die Separatisten konnten mit russischer Militärhilfe ihre Gebiete halten. Das Abkommen von Minsk vom Februar 2015 schuf eine „Kontaktlinie“, die in Wirklichkeit eine Front ist. Denn die Waffenruhe wird von beiden Seiten immer wieder gebrochen. De facto herrscht in der Region bis heute ein Krieg, der rund 14.000 Todesopfer forderte.