Ukraine-Konflikt: Menschen aus Frankfurt und ihre Angst um die Familie in der Heimat
Frankfurter Rundschau
Ukrainerinnen und Ukrainer in Frankfurt bangen um das Leben ihrer Angehörigen und fordern ein entschiedenes Vorgehen der deutschen Politik
Frankfurt – Etwa 1500 Menschen demonstrierten am Donnerstag (24.02.2022) gegen die russische Invasion in der Ukraine. Eine davon war Maryna Tochkovaya. Die 31-jährige Ukrainerin lebt seit sechs Jahren mit ihrem Mann in Frankfurt. Teile der Familie wohnen in der Ukraine und in Russland. „Ich habe quasi jede Stunde Kontakt zu ihnen, um zu schauen, ob sie noch leben“, beschreibt sie die dramatische Situation.
Seit zwei Tagen befinden sich ihre Angehörigen und Freunde in Kellern in der Stadt Kharwiv und hören jede Minute Schüsse. Die Stadt liegt direkt an der östlichen Grenze der Ukraine und ist besonders durch russische Angriffe bedroht. „Sie warten auf Rettung und dass es nicht mehr so gefährlich ist, rauszugehen“, erklärt Tochkovaya. Immer wenn ihr Telefon klingelt, habe sie Angst, schlimme Nachrichten könnten am anderen Ende auf sie warten. Die ukrainischen Soldaten gäben ihr Bestes, aber die russische Armee sei um ein Vielfaches größer, sagt Tochkovaya.
Deswegen benötige die Ukraine Hilfe. „Viele Politiker sagen nur etwas, aber es passiert oft nichts“, erzählt die 31-Jährige. Sie fordert wirtschaftliche Sanktionen und Unterstützung. Und auch sie tut ihr Bestes, um zu helfen. „Ich muss etwas machen, um gesund zu bleiben“, sagt Tochkovaya. Deswegen spendet sie Geld an die ukrainische Armee, geht auf Demos und macht im Internet auf die Situation in der Ukraine aufmerksam.
Gerade mit Blick auf die Russen sei der Informationsfluss wichtig. „Die Menschen dort wissen teilweise wirklich nicht, was abläuft, weil die Medien so beeinflusst sind“, erklärt die 31-Jährige. Trotzdem gebe es vereinzelt Widerstand gegen Putin. Hierbei betont Tochkovaya jedoch, dass Demonstrationen in Russland ein großes Risiko darstellen. Der nun ausgebrochene Krieg sei trotz der angespannten Lage in den Wochen zuvor überraschend für viele Ukrainer:innen gekommen. „Russische Kultur gehörte doch zu unserem Alltag, uns verbindet so viel. Das konnte sich keiner vorstellen“, erzählt Tochkovaya. Der Schock sitze immer noch tief.
Damit ist sie nicht alleine. „Ich bin fassungslos“, sagt Natali Gamidadze. Die 25-jährige Georgierin lebt seit 2017 in Frankfurt. Sie war elf Jahre alt, als Russland Truppen nach Georgien verlegte und der Krieg im Kaukasus im Sommer 2008 begann. Sie kenne die Geschichte ihres Landes und seine Beziehung zu Russland und finde dennoch keine Worte, um zu beschreiben, was sie angesichts des Krieges in der Ukraine fühle. „Ich kann weder arbeiten noch schlafen, den ganzen Tag laufen die Nachrichten“, erzählt Gamidadze.