
Ukraine-Konflikt: Joe Biden sorgt mit Äußerungen für Irritationen
Frankfurter Rundschau
Deutschland will keine Waffen in die Ukraine liefern. Die USA schon, sagt Außenminister Anthony Blinken in Kiew. Äußerungen von Joe Biden lösen derweil Irritationen aus.
Update vom Donnerstag, 20.01.2022, 06.32 Uhr: US-Präsident Joe Biden hat mit Äußerungen zu einem möglichen russischen Einmarsch in die Ukraine für Irritationen gesorgt. Der US-Demokrat schien bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus am Mittwoch (19.01.2022, Ortszeit) anzudeuten, dass angedrohte Sanktionen der Nato vom Ausmaß eines potenziellen russischen Einmarschs abhängen könnten. „Es ist eine Sache, wenn es sich um ein geringfügiges Eindringen handelt“, sagte Biden. „Aber wenn sie tatsächlich das tun, wozu sie mit den an der Grenze zusammengezogenen Streitkräften in der Lage sind, dann wird das für Russland eine Katastrophe werden.“
Der US-Sender CNN zitierte einen ungenannten ukrainischen Regierungsvertreter mit den Worten, er sei „schockiert, dass US-Präsident Biden zwischen Eindringen und Einmarsch unterscheidet“. Das gebe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „grünes Licht, nach Belieben in die Ukraine einzudringen“. Der republikanische Senator Lindsey Graham sagte, er sei „fassungslos“ über die Äußerung Bidens.
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, bemühte sich kurz nach Bidens Auftritt um Klarstellung. „Präsident Biden hat sich gegenüber dem russischen Präsidenten klar geäußert: Wenn sich russische Streitkräfte über die ukrainische Grenze bewegen, ist das eine erneute Invasion, und darauf werden die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten schnell, hart und geschlossen reagieren“, teilte Psaki mit. Der US-Präsident wisse aber, dass Russland „über ein umfangreiches Instrumentarium für Aggressionen“ unterhalb der Schwelle militärischer Aktionen verfüge - beispielsweise Cyberangriffe und paramilitärische Taktiken. Biden habe bekräftigt, dass auch solche Aggressionen der Russen „mit einer entschlossenen, gegenseitigen und gemeinsamen Antwort beantwortet werden“.
+++ 21.00 Uhr: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, hat sich zurückhaltend zu der Gefahr eines Einmarsches Russlands in sein Land geäußert. „Die Risiken bestehen nicht erst seit einem Tag, und sie sind nicht größer geworden“, sagte Selenskyj am Mittwochabend in einer Ansprache. „Größer ist nur der Rummel um sie geworden“, so Selenskyj weiter. Habe es denn nicht schon 2014 einen Einmarsch gegeben, fragte der ukrainische Präsident und spielte damit auf die Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland an. „Jetzt wird aktiv nicht unser Land, sondern werden Ihre Nerven angegriffen, damit bei Ihnen ein ständiges Alarmgefühl herrscht“, sagte der Staatschef der Ukraine an die Bevölkerung in der Ukraine gerichtet.
Die Ukrainer sollten von Hamsterkäufen und eiligem Abheben von Bargeld absehen, riet Selenskyj. Ziel sei vielmehr, die Wirtschaft der Ukraine zu schwächen, damit das ukrainische „Nein“ in bestimmten Fragen schwächer werde, so die Ansicht von Selenskyj, die er in der Videobotschaft kundtat. Er appellierte: „An die Medien: seid Mittel der Masseninformation und nicht der Massenhysterie.“