Ukraine-Konflikt: Ist China jetzt Bedrohung oder Hoffnung?
RTL
Im Ukraine-Krieg steht China gewissermaßen zwischen den Stühlen. US-Präsident Biden hat jetzt mit Chinas Staatschef Xi telefoniert.
Im Ukraine-Krieg steht China gewissermaßen zwischen den Stühlen. China unterhält enge Verbindungen nach Russland, will aber die wirtschaftlichen Kontakte mit den westlichen Staaten nicht gefährden. US-Präsident Biden hat am Freitag mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping telefoniert – und warnt China vor Hilfen für Russland.
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Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat an US-Präsident Joe Biden appelliert, sich gemeinsam mit der Volksrepublik für Frieden in der Welt einzusetzen. "Die Krise in der Ukraine ist etwas, das wir nicht sehen wollen", sagte Xi Jinping nach einem Bericht des staatlichen Fernsehsenders CCTV. Als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und wichtigste Volkswirtschaften der Welt sollten beide Staaten auch "internationale Verantwortung übernehmen und Anstrengungen für Frieden und Ruhe in der Welt unternehmen".
US-Außenminister Antony Blinken sagte in einem Interview, dass China die Verantwortung für alle Maßnahmen trage, die es zur Unterstützung der russischen Aggression ergreife. "Wir sind besorgt, dass China erwägt, Russland direkt mit militärischer Ausrüstung für den Einsatz in der Ukraine zu unterstützen", fügte er hinzu. China hat solche Pläne bisher dementiert. Die USA ihrerseits hatten 800 Millionen Dollar neue Militärhilfe für die Ukraine beschlossen. Washington ist auch besorgt darüber, dass China Russland helfen könnte, die von den westlichen Staaten verhängten Wirtschaftssanktionen zu umgehen.
Welche Rolle spielt China im Ukraine-Konflikt? Welche Haltung nimmt das Land gegenüber dem Westen und Russland ein? Und könnte China zur Bedrohung werden? Über diese Fragen hat RTL mit der China-Expertin Claudia Wessling vom Mercator Institute for China Studies gesprochen.
Wessling: "Die regierende Kommunistische Partei Chinas verfolgt ihre eigenen Strategien: Sie will die Wirtschaft stabil halten, um ihre Herrschaft zu stabilisieren. In der Außenpolitik strebt China nach einer Reform der internationalen Organisationen auch mit dem Ziel, die Vorherrschaft der USA zurückzudrängen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt China auch auf russische Unterstützung.
Ob das wirklich bedrohlich werden kann, ist nicht einfach zu sagen: Denn China braucht die EU und die USA als Absatzmärkte und deren Hochtechnologien für den Aufbau der eigenen Wirtschaft. Die Wirtschaftsbeziehungen intensivieren sich trotz aller politischen Spannungen. Viele fragen sich inzwischen berechtigterweise hierzulande, ob eine enge Wirtschaftskooperation China, dessen Regierung ideologisch auf Abgrenzung und wirtschaftlich langfristig auf Autonomie setzt, nicht auf Dauer zu hohe Risiken birgt."
Wessling: "Viel Hoffnung, dass China proaktiv zu einer Beendigung des Krieges beitragen könnte, gibt es derzeit nicht. Im Ukraine-Krieg will China weiterhin nicht klar Partei ergreifen, gibt aber oft russische Positionen wieder und vermeidet weiter klare Kritik an Moskaus Vorgehen. Experten haben diese Taktik "pro-russische Neutralität" genannt. Chinas Präsident Xi hat zwar in einem Gespräch mit Scholz und Macron die westlichen Partner, Russland und die Ukraine zu Verhandlungen aufgerufen, sieht sich selbst hier aber nicht in einer Vermittlerrolle. Es sieht zu diesem Zeitpunkt nicht so aus, als ob es diese Zurückhaltung aufgeben würde."