Ukraine-Konflikt: Die Angst vor antisemitischen Angriffen wächst
Frankfurter Rundschau
Jüdinnen und Juden in der Ukraine haben Angst vor antisemitischen Übergriffen, wie sie im Kriegsfall in der Geschichte oft vorkamen.
Kiew – „Wir haben Angst vor Antisemitismus, weil wir nicht wissen, was passieren wird“, sagte Kiews Oberrabbiner Jonathan Markovitch am Donnerstag (24.02.2022) in Kiew. Der Rabbiner hat angesichts der Situation in der Ukraine* Sorge vor antisemitischen Angriffen auf die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Kiew geäußert.
Sie hätten Sorge, dass es zu Unruhen und Plünderungen kommen könne. Sie hätten 50 Matratzen, Essen und Treibstoff in der Synagoge, um die Mitglieder der 2500-köpfigen Gemeinde zu versorgen, die nicht weg könnten.
Die Angst begründet sich auf der Geschichte, die Jüdinnen und Juden in Europa widerfahren ist. Seine Frau Inna verwies darauf, wie in der Geschichte immer wieder Jüdinnen und Juden verantwortlich gemacht worden seien, wenn es irgendwo Probleme gegeben habe. „Geschichte wiederholt sich“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Von ihnen engagierte Sicherheitskräfte seien am Morgen nicht aufgetaucht, die Firma habe den vereinbarten Preis verdoppelt, sagte sie. Jetzt müssten sie überlegen, was sie machen wollten. Sie bräuchten dringend bewaffneten Schutz.
Morgens um 7 Uhr seien sie mit dem Bombenalarm aufgewacht, erzählte Inna Markovitch. „Es war sehr beängstigend, es gibt keine Infrastruktur in Kiew, keine Raketenbunker, keine Hilfe von der Regierung*, selbst der Alarm war sehr schwach.“ Zumindest hätten sie einen Keller bei der Synagoge. Es habe die Anweisung gegeben, in die U-Bahn-Stationen zu gehen, weil die tief in der Erde seien. Aber sie leben 20 Minuten von einer entfernt.
Sie beide hätten auch israelische Pässe, hätten sich aber dazu entschlossen, in Kiew zu bleiben, sagte sie. „Wir fühlen uns der jüdischen Bevölkerung hier verpflichtet.“ Sie verwies auf allein rund 200 bettlägerige Gemeindemitglieder. Rabbi Markovitch und seine Frau haben selbst sieben Kinder und zahlreiche Enkelkinder, die auch noch in Kiew sind.