Ukraine-Konflikt: „Wir finanzieren Putins Krieg“
Frankfurter Rundschau
Weniger Energie verbrauchen hilft, von Russland unabhängiger zu werden.
Frankfurt – Es ist eine schreckliche Erkenntnis, die viele Menschen umtreibt: Wer Energie in Form von Erdgas oder Heizöl, Sprit und Kohlestrom nutzte, hat jahrelang die Militärmaschine von Wladimir Putin mitfinanziert, die nun die Ukraine überfällt, Menschen tötet oder in die Flucht treibt und Städte in Schutt und Asche legt. Und selbst jetzt, da der Krieg eskaliert, fließt das Geld weiter in Moskaus Kriegskasse. Doch niemand ist machtlos. Die Verbraucher:in kann zumindest einen Teil der Energie schnell sparen. Stichworte: Langsamer fahren, mäßiger heizen, sparsame Elektrogeräte kaufen. Und eine Unternehmensinitiative forderte jetzt, die Bundesregierung müsse ein „historisches Energiesparpaket“ auflegen.
Rund 55 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases stammt aus Russland, bei Steinkohle ist es die Hälfte, bei Erdöl gut ein Drittel. Im EU-Schnitt ist die Abhängigkeit ebenfalls hoch, wenn auch etwas geringer. Russlands Einnahmen aus dem Export von Gas, Kohle und Öl alleine aus den EU-Ländern beliefen sich 2020 auf umgerechnet 67 Milliarden US-Dollar, während die Militärausgaben 61,7 Milliarden betrugen. Der Staatshaushalt wird zu einem Drittel aus den Energie-Einnahmen bestritten.
„Wir sitzen abends in warmen Wohnzimmern und schauen Krieg. Wir sind empört und wollen helfen“, schreibt der Berliner Verkehrsforscher Andreas Knie. „Morgens gehen wir aber wieder in die Garage und starten das Auto. Mit dem Geld für den Sprit finanzieren wir zu einem großen Teil Putins Krieg. Das wollen wir nicht wahrhaben und denken lieber über die Renaissance von Braunkohle und Atomkraft nach. Hauptsache, die Versorgung ist gesichert!“ Doch das Klima dreht sich. Die Forderungen werden lauter, Energie sparen und Energieeffizienz in allen Sektoren – von Verkehr über Heizung bis Industrie – umzusetzen.
Tatsächlich ist die Situation der Energie-Versorgung heute zumindest in Deutschland und Europa dramatischer als während der ersten Ölkrise 1973, in der die damalige Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt (SPD) immerhin vier Sonntagsfahrverbote und für sechs Monate ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen (Tempo 100) und Landstraßen (Tempo 80) erließ, um den Spritkonsum zu senken. Die Opec hatte damals den Ölexport gedrosselt, um den Westen unter Druck zu setzen, der Israel im Jom-Kippur-Krieg unterstützte.
Die Forderung nach einem Tempolimit (100/80/30 für Autobahn, Landstraße, Stadt) hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wieder auf die Agenda gesetzt. Das Argument: So lasse sich der Rohölbedarf aus Russland sofort um mehrere Millionen Tonnen und damit etliche Prozentpunkte absenken. Auch in den sozialen Medien fordern viele #100aufderautobahn. Fachleute wie Andreas Knie unterstützen das: „Ein Tempolimit ist aus Klimaschutzgründen ohnehin überfällig. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um es einzuführen. Wann sonst.“ Auch an autofreie Sonntage solle man wieder denken. Das sei zudem ein „sichtbares Zeichen der Solidarität mit der Ukraine“, sagte der Verkehrsprofessor der FR.