Ukraine auf dem Weg in die EU? Wird dauern, sagt Brüssel
ProSieben
Gezeichnet vom russischen Angriff auf sein Land fordert Präsident Selenskyj eindringlich Unterstützung: Die Ukraine will in die Europäische Union. Damit ist Brüssel in der Zwickmühle.
Die Europäische Union zeigt sich offen für den Beitrittswunsch der von Russland attackierten Ukraine. Allerdings werde dies "ein langer Weg", sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag im Europaparlament. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj, der live zugeschaltet vor den Abgeordneten eindringlich um die EU-Aufnahme seines Landes bat, bekam zunächst vor allem Solidaritätsbekundungen - und zusätzliche Finanzzusagen. 500 Millionen Euro will die EU für humanitäre Hilfe und die Versorgung von Flüchtlingen bereit stellen.
Selenskyj hatte am Montag vor dem Hintergrund der schweren Kämpfe mit Russland an die EU einen Antrag auf "unverzügliche Aufnahme der Ukraine nach einer neuen speziellen Prozedur" gestellt. Und fast alle Redner in der Sondersitzung des EU-Parlaments am Dienstag zeigten dafür Sympathie. Sie drückten ihr Entsetzen über den russischen Angriff aus und Bewunderung für die Gegenwehr der Ukrainer, sie machten deutlich, dass die Ukraine zu Europa gehöre und dass man sie nicht hängen lassen wolle. Aber ein Beitritt zum Club der derzeit 27 Staaten ist eben normalerweise unendlich kompliziert und langwierig.
Das ließ auch EU-Ratspräsident Charles Michel durchblicken. Das Thema Beitritt sei schwierig, und es gebe unterschiedliche Auffassungen der Mitgliedstaaten, sagte Michel im Parlament. "Aber der Rat wird sich da seiner Verantwortung nicht entziehen können." Zumindest eine ernsthafte Prüfung von Selenskyjs Gesuch sagte Michel zu. Man werde "auf das Ziel hinarbeiten", formulierte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Dabei geht es zunächst darum, ob die Ukraine offiziell Kandidatin für einen Beitritt werden kann.
Grundsätzlich kann nach Artikel 49 des EU-Vertrags jeder europäische Staat die Aufnahme beantragen, sofern er vorgegebene EU-Grundwerte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit achtet. Doch gibt es selbst für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen strenge Anforderungen, zum Beispiel Wirtschaftsreformen und Rechtsstaatlichkeit. Derzeit stehen schon fünf Staaten Schlange, darunter Serbien, Albanien, Montenegro und Nordmazedonien. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei kommen seit mehr als 20 Jahren nicht vom Fleck.
Im Falle der Ukraine, die seit 2017 ein Assoziierungsabkommen mit der EU hat, gilt Korruption als hohe Hürde. Der EU-Rechnungshof hatte 2021 festgestellt, dass "Oligarchen und Interessengruppen nach wie vor die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine" untergrüben. Die Rechnungsprüfer beschrieben Korruption in der Ukraine als großes Problem - und zwar trotz der EU-Unterstützung etwa bei Justizreformen.