Tschernobyl und Europas größtes AKW: Wie Putin im Ukraine-Krieg mit dem Kampf um Atomkraftwerke Druck erzeugt
Frankfurter Rundschau
Atomkraftwerke spielen im Ukraine-Krieg immer wieder eine Rolle. Wir zeigen, wo ukrainische AKWs liegen und warum sie für Wladimir Putin relevant sind.
Kiew - Die Eroberung von Atomkraftwerken spannt in mehreren Dimensionen die Situation im eskalierten Ukraine-Konflikt* an. Vor allem die Kämpfe um die Werke Tschernobyl und Saporischschja haben für große Konflikte gesorgt. Tippen oder klicken Sie in unserer interaktiven Karte auf die Orte, um die Handlungen seit dem 24. Februar nachzuvollziehen.
Die Ukraine bezieht laut der Internationalen Energieagentur (IEA) rund 55 Prozent des Stromverbrauchs aus Atomenergie. Mit der Einnahme der Kraftwerke kontrolliert das russische Militär also auch Teile der Stromversorgung und könnte diese Macht gegenüber den ukrainischen Kräften und der Bevölkerung ausnutzen.
Außerdem haben die Kämpfe in der Nähe der Kraftwerke auch internationale Konsequenzen. Nach dem Brand in Saporischschja am 4. März sagte der britische Premierminister Boris Johnson, die „rücksichtslosen Aktionen“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin „könnten nun die Sicherheit ganz Europas direkt gefährden“.
Die Vereinten Nationen sehen in den Attacken Verstöße gegen das Völkerrecht. „Angriffe auf Atomkraftwerke stehen im Widerspruch zum humanitären Völkerrecht“, sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo am 4. März. Sie bekräftigte erneut, dass Russlands Krieg in der Ukraine gegen die UN-Charta verstoße. „Die Kämpfe in der Ukraine müssen aufhören, und zwar jetzt.“ Nach der russischen Übernahme des Kraftwerks Saporischschja äußerte sich auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) besorgt über die Entwicklung. Die fremde Eroberung widerspreche einem wichtigen Grundsatz nuklearer Sicherheit, teilte die Behörde am 6. März mit.
Zudem hatte die Behörde kritisiert, dass die Kommunikation mit dem Betriebspersonal zeitweise unterbrochen war. Auch das bedrohe die nukleare Sicherheit des Werks. Wie in unserer interaktiven Karte zu sehen ist, hat die russische Armee zwei Atomkraftwerke unter seine Kontrolle gebracht (Stand: 18. März). Die Ukraine vermutet, dass russische Kräfte planen, auch das Kraftwerk Süd-Ukraine einzunehmen. Zu welchen weiteren internationalen Spannungen das noch führen könnte, bleibt abzuwarten.Von Luisa Billmayer mit Material der dpa. *FR.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA