
Tschechien: Raus aus der Abhängigkeit von russischen Brennelementen
DW
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich Tschechien von russischem Gas unabhängig gemacht. Dagegen benötigt es noch immer russische Brennelemente für seine Atomkraftwerke. Doch das soll sich ändern.
Noch vor einem Jahr, zu Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine, war die Tschechische Republik bei ihren Gasimporten zu 97 Prozent von Russland abhängig. Im Januar 2023 dagegen hat sie keinen einzigen Kubikmeter Gas aus Russland mehr importiert. "Die russischen Lieferungen über Deutschland wurden durch Gas aus Norwegen und Flüssigerdgas aus Belgien und den Niederlanden ersetzt", sagte Industrie- und Handelsminister Jozef Sikela vor kurzem stolz gegenüber Reportern, und auf seinem Twitteraccount schrieb er: "Auch ohne Gasimporte bewältigen wir den Winter so gut wie noch nie."
Doch in Wirklichkeit konnte die Tschechische Republik den Winter nur dank russischem Kernbrennstoff überstehen, mit dem die beiden Atomkraftwerke Temelin und Dukovany versorgt werden. Temelin ist mit einer Kapazität von 2400 MW der größte Stromerzeuger in der Tschechischen Republik, während Dukovany mit vier älteren Blöcken ebenfalls über eine Kapazität von fast 2000 MW verfügt. Zusammen erzeugen die beiden Kraftwerke fast 40 Prozent des Stroms in der Tschechischen Republik. Dank des reibungslosen Betriebs der Kernkraftwerke ist das Land einer der größten Stromexporteure Europas. Der größte Teil der Exporte geht nach Deutschland und Österreich.
Die beiden Kernkraftwerke werden von dem Energieunternehmen CEZ betrieben. Mehrheitseigentümer ist der tschechische Staat. Seit Ausbruch des Kriegs landeten zweimal russische Transportflugzeuge in Tschechien, um neue Brennelemente zu liefern. Doch die Regierung in Prag bemüht sich, die Abhängigkeit von den russischen Lieferungen zu verringern. Nicht, weil die russische Firma Rosatom unzuverlässig liefern würde. Die Brennelemente sind auch nicht von den Sanktionen betroffen. Die Entscheidung hat politische Gründe.
"Ab 2024 wird der Brennstoff für das Kernkraftwerk Temelin von dem US-amerikanischen Unternehmen Westinghouse und dem französischen Unternehmen Framatome geliefert werden", verkündete Premierminister Petr Fiala im April 2022 auf seiner Facebook-Seite. "Dies wird die Lieferung aus Russland ersetzen und unsere Abhängigkeit von diesem Land, das ein Sicherheitsrisiko für die Tschechische Republik darstellt, verringern."
"Die Lieferungen werden ab 2024 erfolgen und etwa fünfzehn Jahre lang laufen", sagt CEZ-Sprecher Ladislav Kriz der DW. "Der Wert des Vertrags liegt in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen Euro." Der Wechsel des Lieferanten von russischen zu westlichen Unternehmen werde die Stromerzeugung nicht teurer machen. "Die Kosten sind ähnlich", so Kriz. Und der Brennstoff mache nur einen sehr kleinen Teil der Produktionskosten eines Kernkraftwerks aus, denn anders als bei Gaskraftwerken sei ein Kernkraftwerk zwar teuer im Bau, aber billig im Betrieb.