
Trotz Währungskollaps: Erdogan bleibt bei seinem Kurs
DW
Die türkische Lira ist so schwach wie noch nie. Präsident Erdogan steuert unermüdlich mit einer fragwürdigen Zinspolitik dagegen. Die Auswirkungen sind fatal. Jetzt intervenierte die Notenbank am Devisenmarkt.
Die Wirtschaftskrise versetzt die Türkei in eine Kältestarre. Seitdem die Rohstoff- und Energiekosten explodiert sind, heizen viele Türken ihr Heim mit Kohle oder Holz - Erdgas ist zurzeit eine kostspielige Luxusressource. Der Grund für die hohen Preise auf dem Energiemarkt ist die Währungskrise, die in der Türkei seit nunmehr drei Jahren grassiert. Die hohe Inflation von knapp 20 Prozent setzt die türkische Lira unter Druck. Die Währung befindet sich seit Jahren im Sinkflug und erreichte zuletzt praktisch täglich neue Tiefststände. Am Mittwoch zog die türkische Notenbank die Reißleine und intervenierte erstmals seit sieben Jahren am Devisenmarkt. Das stoppte zumindest vorerst den weiteren Verfall der Lira - wie nachhaltig die Maßnahme ist, muss sich erst noch zeigen.
Das wäre für Präsident Recep Erdogan wichtig, denn in der türkischen Bevölkerung wächst der Unmut darüber, dass seine Politik die Turbo-Inflation und die damit verbundenen Preisschwankungen nicht in den Griff bekommt. Die Lösungsansätze der türkischen Regierung, sowohl in der Wirtschafts- als auch in der Geldpolitik, laufen ins Leere. Ungeachtet dessen hat die türkische Zentralbank auf Erdogans Geheiß Mitte November beschlossen, den Zinssatz von 16 auf 15 Prozent zu senken - erst im Oktober hatten die Währungshüter den Schlüsselsatz um zwei Prozentpunkte nach unten gesetzt.
Den Leitzins im Falle einer Inflation zu senken, ist nach der gängigen Wirtschaftslehre jedoch unüblich - normalerweise bekämpfen Notenbanken eine zu hohe Inflation mit einer Anhebung des Zinsniveaus. Die Lira kollabierte, wie von vielen Experten prognostiziert, nach dieser Entscheidung regelrecht: Zeitweise wurden auf den Märkten für einen US-Dollar mehr als 14 Lira gezahlt. Das bedeutet eine Abwertung der türkischen Währung um 45 Prozent seit Beginn des Jahres.
Der Kurs wird maßgeblich von Erdogan beeinflusst, der als erklärter Gegner hoher Zinsen gilt. Wiederholt hat der türkische Präsident das Spitzenpersonal der Notenbank ausgewechselt, sofern es nicht seine geldpolitische Agenda umgesetzt hat. Obwohl Erdogans Zinssenkungen die Entwertung der Lira begünstigt hatten, lässt er sich nicht von seinem Mantra - "Zinsen sind die Ursache, Inflation das Resultat"- abbringen.
Erdogan erneuerte dies erst am Dienstag (30.11.) wieder im staatlichen Sender TRT: Die Türkei setze den Schlüsselzins herab, um Investitionen, Beschäftigung, Produktion und Wachstum voranzutreiben. Er wiederholte somit seine unorthodoxe Überzeugung, dass hohe Zinsen den Preisauftrieb verursachten. Von diesem wirtschaftlichen Modell wolle er sich nicht distanzieren.