
Trinkwasser aus dem Meer?
DW
Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Entsalzung von Meerwasser kann helfen, birgt aber auch Risiken für die Umwelt. Warum die Methode trotzdem eine Lösung sein kann.
Obwohl 70 Prozent der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind, ist gerade einmal ein Prozent davon trinkbar. Hinzu kommt, dass die endliche Ressource Süßwasser sehr ungleichmäßig verteilt ist. In heißen und trockenen Regionen der Erde, in denen die Bevölkerung zusammen mit dem Lebensstandard wächst, gibt es nicht genügend Wasser für alle. Eine Situation, die durch den Klimawandel noch verschärft wird. Im Kampf gegen die Dürre gibt es bereits exotische Ansätze, wie das "Ernten" von Eisbergen, bei dem Eisberge abgeschleppt und in Trinkwasser umgewandelt werden sollen, oder das Erzeugen von Regen auf Knopfdruck durch die Injektion von Chemikalien in Wolken. Doch die haben sich in einem großen Maßstab noch nicht bewähren können.
Die Entsalzung von Meerwasser hat sich deshalb zu einer der wenigen realen und umsetzbaren Möglichkeit entwickelt wie sich Regionen, die unter Wasserarmut leiden, gegen die Dürre wappnen können. Die Idee an sich ist Jahrhunderte alt. Heute gibt es zum einen den Ansatz der thermischen Entsalzung und der umgekehrten Osmose. Bei ersterem wird das Wasser verdampft und destilliert, bei zweiterem werden Salz und Wasser durch eine Membran voneinander getrennt. Weltweit sind derzeit über 20.000 Entsalzungsanlagen in mehr als 170 Ländern in Betrieb – die zehn größten befinden sich in Saudi-Arabien, den Vereinigten Staaten, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).
Fast die Hälfte des Frischwassers durch die Entsalzung von Meerwasser wird im Mittleren Osten und in Nordafrika gewonnen, so Manzoor Qadir, stellvertretender Vorsitzender der United Nations University for Water, Environment and Health. Diese trockenen Gebiete haben nur wenige andere Möglichkeiten an Wasser zu gelangen und sind auf die Entsalzung von Meerwasser angewiesen. Ihnen steht laut Qadir jährlich weniger als 500 Kubikmeter pro Kopf durch Regen oder andere Abflüsse zur Verfügung. Das ist etwa dreimal weniger als in den USA.
Die Wasserarmut wird sich mit dem Bevölkerungswachstum und den steigenden Temperaturen weiter verschärfen, wobei Afrika südlich der Sahara bis 2050 zu "einem Hotspot der Wasserknappheit" werden dürfte, so Qadir. Meerwasser zu entsalzen sei eine gute Gelegenheit, vorhandene Ressourcen zu nutzen, auch weil die Kosten "extrem gesunken sind" sagt Qadir - von rund fünf Dollar pro Kubikmeter im Jahr 2000 auf aktuell durchschnittlich 50 Cent. "Da braucht man nicht lange nachzudenken", sagt Frithjof C. Kuepper vom Lehrstuhl für Artenvielfalt an der University of Aberdeen und Experte zum Thema "Umwelteinflüsse durch Entsalzungsanlagen" auf Zypern. "Für Länder wie Zypern, gibt es keine andere Möglichkeit, sofern sie ihren Lebensstandard halten wollen."
In der Republik Zypern, dem wärmsten und trockensten Land in der EU, kommen 80 Prozent des Trinkwassers aus der Entsalzung von Meerwasser, so Kuepper. Bereits in den 90er Jahren hätten schwankenden Niederschläge zu Wasserknappheit geführt. Damals hätte die zypriotische Regierung zunächst versucht, das Defizit durch den Import von Wasser aus Griechenland auszugleichen. "Das kostete aber zehn Mal mehr, als das Wasser zu entsalzen", so Kuepper weiter. Deshalb habe die Regierung in den frühen 2000er Jahren begonnen, Entsalzungsanlagen zu bauen. Wasserknappheit sollte so vermieden werden.