
Traditionelle Religionsausübung ist kein politischer Islam
DW
Seit Start eines Modellprojekts in Köln, das muslimischen Gemeinden den Gebetsruf gestatten soll, läuft eine hitzige Debatte zu diesem Thema. Der Islamwissenschaftler und Jurist Mathias Rohe analysiert die Argumente.
Woher die Aufregung um den Ruf des Muezzin in Köln? Hat eine extremistische muslimische Moscheegemeinde beantragt, den Ruf zum Ritualgebet lautstärkerverstärkt erschallen zu lassen? Mitnichten. Die Kölner Stadtspitze hat sich anscheinend ohne konkreten Anlass entschlossen, auf die nach geltendem deutschen Recht bestehende Möglichkeit hinzuweisen, einen solchen Gebetsruf zum Hauptgebet am Freitagmittag für fünf Minuten auszuführen. Die daraufhin entbrannte hitzige Debatte sagt wenig über die geltende Rechtslage aus, umso mehr aber über Befindlichkeiten, Missverständnisse, Fehlinformationen und offensive Selbstpositionierungen.
Zu den Fakten: Der lautstärkerverstärkte muslimische Gebetsruf fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der im Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Wie bei allen anderen Grundrechten muss dann im jeweiligen Einzelfall abgewogen werden, ob es stärker gewichtige Gegengründe gibt, hinter denen das konkrete Anliegen zurücktreten muss. Solche Gegengründe können sich hier vor allem aus § 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz ergeben: Danach müssen Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft vermieden werden.