Tor zu Europa: Mehr afrikanische Migranten steuern per Boot die Kanaren an
DW
Auch 2022 wagen viele Migranten die gefährliche Überfahrt auf die Kanaren. Die Atlantik-Route verheißt Europa - und große Gefahr: 2021 gab es so viele Todesopfer wie noch nie, sagen Hilfsorganisationen.
Madala Tounkara war noch minderjährig, als er sich vor sieben Jahren im westafrikanischen Mauretanien in ein Fischerboot setzte und auf eine gefährliche Seereise begab. Wie für viele afrikanische Migranten war für ihn eine spanische Inselgruppe vor der Nordwestküste Afrikas das ersehnte Ziel - die Kanaren. "Am schlimmsten war der letzte Tag. Ich hatte einfach keine Kraft mehr. Ich hatte die ganze Zeit über große Angst. Aber wenn du dann plötzlich in so einer Extremsituation bist, vergeht dir die Angst", sagte der junge Malier im DW-Interview. Heute verdient er sein Geld mit Boxen und arbeitet in Restaurant-Küchen in Las Palmas.
Tounkara hielt durch, er überlebte den Kampf mit dem tosenden Atlantik und erreichte Gran Canaria. Die westafrikanische Atlantikroute zu den Kanaren ist derzeit die beliebteste für Migranten. Andere wählen die westliche Mittelmeer-Route über Niger, Mali und Algerien nach Marokko und weiter über das Mittelmeer nach Spanien oder sie streben die zentrale Mittelmeer-Route an, die von Libyen aus nach Malta oder auf italienische Inseln wie Lampedusa oder Sizilien führt.
Seit Tounkaras dramatischer Reise in einem kleinen Holzboot ist die Zahl der Migranten rasant gestiegen - und mit ihr die Zahl derjenigen, die ihre quälende Überfahrtnicht überlebt haben. Die meisten Migranten kommen aus Nord- und Westafrika - laut der spanischen Hilfsorganisation "Caminando Fronteras" vor allem aus dem Senegal, Marokko und Mali.
Mehr als 4400 Menschen kamen nach Angaben der Organisation 2021 bei dem Versuch ums Leben, Spanien auf dem Seeweg zu erreichen. Die Zahl habe sich im Vergleich zu 2020 verdoppelt. Sie spricht von mehr als 4000 Toten allein im vergangenen Jahr bei dem Versuch, die Kanarischen Inseln per Boot zu erreichen. So viele Todesopfer wie 2021 habe es noch nie gegeben.
Die Opferzahlen der spanischen Organisation liegt aber etwa dreieinhalb Mal so hoch wie jene der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Diese spricht von 1109 Migranten, die 2021 ums Leben kamen. Eine Begründung dafür lautet: Die Aktivisten der in Nordwestafrika gut vernetzten Hilfsorganisation "Caminando Fronteras" hätten direkten Kontakt zu Überlebenden von Bootsuntergängen und zu den Familien der Migranten in Afrika. Daten würden in allen Fällen mit Informationen von Migranten-Gemeinschaften und sozialen Stellen abgeglichen.