Terror in Hanau: „Unsere Welt steht seither Kopf“
Frankfurter Rundschau
Gedenken an die Mordopfer von Hanau vor klickenden Kameras. Auf dem Friedhof wird die Trauer mitunter schonungslos eingefangen von Fotograf:innen und Kamerateams.
Hanau - Die Eltern von Sedat Gürbüz, einem der Opfer des Anschlags, sind die ersten Angehörigen, die am Samstag (19.02.2022) kurz nach 10.30 Uhr zur Gedenkstunde eintreffen. Zwischen den Grabstätten und Gedenksteinen der Opfer und den noch leeren weißen Stühlen, die für die Angehörigen sowie für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) aufgestellt wurden, umarmen sich Emis Gürbüz und Dijana Kurtovic, Mutter von Hamza. Lange. Fest. Man hört ihr Weinen. Und das nicht enden wollende Klicken unzähliger Kameras. An diesem Tag ist alle Trauer öffentlich. Zumindest bei der Gedenkstunde. Sie wird mitunter schonungslos eingefangen von den vielen Fotograf:innen und mehreren Kamerateams, die immer wieder neue Positionen suchen.
Rund 100 geladene Gäste nahmen an der von Land und der Stadt ausgerichteten Gedenkstunde auf dem Hauptfriedhof teil. Dort sind Ferhat Unvar, Hamza Kurtovic und Said Nesar Hashemi beerdigt, dort gibt es Gedenksteine für Vili Viorel Paun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saracoglu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin, die in Dietzenbach, Offenbach und den Heimatstädten der Familien in der Türkei, in Rumänien und in Bulgarien bestattet sind.
In den Tagen vor der Gedenkstunde hatte es Kritik von der Initiative 19. Februar gegeben, weil Freunde der Opfer mit dem Hinweis auf die coronabedingt begrenzte Teilnehmerzahl ausgeschlossen waren, kritisierte die Initiative 19. Februar. „Das Land Hessen hat unser Gedenken vereinnahmt“, sagte Emis Gürbüz auch in ihrer Rede bei der Gedenkstunde.
Andere Angehörige der Ermordeten sprachen von unheilbarem Schmerz – auch noch 104 Wochen, 732 Tage oder 17 520 Stunden nach dem Anschlag. „Die Tat hat komplette Familien zerstört“, so Valentino Kierpacz (19), Sohn der getöteten Mercedes. „Unsere Welt steht seither kopf“, sagt Ajla Kurtovic, die Schwester von Hamza. Und auch sie fordert, dass alles zu der Tat „schonungslos und vollständig aufgeklärt wird“.
Das richtete sich auch an Ministerpräsident Bouffier, der zusammen mit Bundesinnenministerin Faeser und Oberbürgermeister Kaminsky wenige Minuten vor Beginn der Gedenkstunde eintraf – auf einem anderen Zugangsweg als die übrigen Gäste. Während Angehörige an den Gräbern und Gedenksteinen der Ermordeten innehielten, kurze Gebete sprachen, sich umarmten und Blumen niederlegten, kündeten Blaulichter, die an der Friedhofsmauer vorbeizogen, von der Ankunft der Polizeikolonne mit den schwarzen Limousinen der hochrangigen Politiker:innen bei der Gedenkstunde, die unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfand.