Tango hinter Stacheldraht
Süddeutsche Zeitung
Nach der Corona-Quarantäne von Paarläufer Nolan Seegert hatten die deutschen Eiskunstläufer im Teamwettbewerb keine Final-Chancen mehr. Nicole Schott glänzt dennoch mit einer technisch anspruchsvollen Kurzkür.
Die Kunst spielt sich bei diesen Spielen hinter einer Festung ab. Südlich vom Olympiapark, eine halbe Autostunde quer durch die Riesenstadt, liegt das Capital Indoor Stadium. Der wuchtige Klotz, 1968 eingeweiht, ist über breite Ringstraßen zu erreichen. Der Bus rauscht auf der für den Olympiaverkehr reservierten Spur an moderneren Fassaden vorbei, an Geschäfts- und Wohnvierteln. Dann biegt er ab und passiert die erste Schranke. In Spiralen, immer ums Areal herum, nähert er sich nun der Hauptstadt-Halle; auf diesem Abschnitt hat China seine Sperranlagentechnik aufgebaut - nahezu die ganze Produktpalette: Sicherheitspalisaden, Stacheldraht, Gitter, Gatter und zum Schluss, von Soldaten bewacht, eine Art Ziehharmonikazaun auf Rollen.
Dann hält der Bus vor einer Tür. Und dahinter ertönen Tangoklänge.
Das Capital Indoor Stadium beherbergt unter anderem die Eiskunstlaufwettbewerbe. Es gehört damit zur Olympia-Blase und ist innerhalb des Bezirks Haidian komplett abgeriegelt. Jeder, der hierherkommt, ob als Läufer, Trainer oder Preisrichter, wird von den Pekinger Behörden als potenzieller Corona-Seuchenherd betrachtet. Umso erstaunlicher, dass es manchen Athleten, wie der deutschen Meisterin Nicole Schott, ausgerechnet an diesem uninspirierenden Ort gelingt, Träume umzusetzen.
Schott präsentierte den Juroren und den Zuschauern, die sich überwiegend aus den Mitgliedern der Eislauf-Delegationen zusammensetzten, am Sonntagvormittag im Teamwettbewerb eine glänzende Kurzkür. Sie sprang einen Dreifach-Flip in Kombination mit einem Dreifach-Toeloop, dazu einen Dreifach-Rittberger und einen Doppelaxel: alles makellos, auf einer Kufe gelandet, und so harmonisch zur Musik, als habe Astor Piazzolla seinen Tango nicht für "Nonino", sondern ausschließlich für sie, Nicole, komponiert. Als sie zum Schluss die Hände vors Gesicht schlug, war das keine gespielte Geste. Den Vortrag wertete sie selbst als "das technisch beste Programm, das ich je gelaufen bin".
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