Tagebau Garzweiler: Am Rande des Abgrunds
Frankfurter Rundschau
Einige Dörfer im rheinischen Braunkohlerevier sollen erhalten bleiben. Der Konzern RWE hat die Region trotzdem tief geprägt.
Garzweiler – Viele Menschen in den Garzweiler-Dörfern können ihn noch gar nicht glauben, den einen Satz im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien: „Die im dritten Umsiedlungsabschnitt betroffenen Dörfer im Rheinischen Revier wollen wir erhalten.“ Jahrelang war das Leben der Menschen in Keyenberg, Kuckum, Westrich und Berverath geprägt von dem Bewusstsein, wenn nicht gar der Gewissheit, dass ihre Orte irgendwann in den 2020er Jahren von der Braunkohlegrube verschluckt werden würden – und jetzt das, irgendwie erwartet, aber irgendwie auch schwer zu fassen.
An das Gefühl, im Recht zu sein, werden sie sich erst gewöhnen müssen, denn das Klima, in dem sich 2018 etwa das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ gründete, war nicht nur dominiert von der näher rückenden Präsenz der Grube, sondern auch von der allgegenwärtigen gesellschaftlichen Präsenz des Kohlekonzerns RWE. „Counter Insurgency Tactics“, also Taktiken zur Aufstandsbekämpfung, nennt Polit-Ökologin Andrea Brock die erprobten Methoden, mit denen der Konzern über Jahrzehnte den gesellschaftlichen Konsens für den Braunkohleabbau schaffen konnte.
Für die 35-jährige Rheinländerin, die an der University of Sussex lehrt und zu deren Fachgebieten die Delegitimierung von Widerstand gegen Minenbetreiber zählt, haben im Rheinischen Braunkohlerevier neben den „harten“ Taktiken der Widerstandsbekämpfung mit Polizei-Unterstützung vor allem die „weichen“ Methoden der Widerstandsprävention beispielhaft Früchte getragen. „Sich Akzeptanz in der Bevölkerung zu verschaffen, ist billiger und einfach als ‚Krieg‘ zu führen“, so Brock, die selbst in der Tagebauregion um Hürth aufgewachsen ist.