Türkei hält Kulturmäzen Kavala weiter in Haft
DW
Im Fall des Kulturförderers Osman Kavala ignoriert die Türkei weiter ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und internationale Kritik. Ein Gericht entscheidet, dass Kavala hinter Gittern bleibt.
Der Fall dürfte einzigartig sein. Seit mehr als vier Jahren sitzt der türkische Kulturförderer Osman Kavala bereits im Gefängnis, ohne dass gegen ihn ein Urteil ergangen wäre. Ein Gericht in Istanbul beschloss nun, dass der 64-Jährige das Gefängnis noch immer nicht verlassen kann. Es setzt die nächste Anhörung für den 21. März fest.
Die türkischen Behörden werfen Kavala den Versuch einer Destabilisierung des Landes vor. Der Geschäftsmann war ursprünglich am 18. Oktober 2017 wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan gerichteten sogenannten Gezi-Proteste in Istanbul im Jahr 2013 finanziert und organisiert zu haben. Nach einem Freispruch im Februar 2020 kam er kurzzeitig aus der Untersuchungshaft, wurde dann aber erneut festgenommen. Mittlerweile werfen die Behörden dem Verleger eine Beteiligung am Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 sowie Spionage vor. Ihm droht lebenslange Haft. Kavala weist die Vorwürfe zurück
Mit dem jüngsten Beschluss der Justiz weigert sich die Türkei abermals, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) umzusetzen. Der EGMR ist der juristische Arm des Europarats, dessen Mitglied die Türkei ist. Als Mitgliedsstaat des Europarats ist die Türkei zur Umsetzung des Urteils verpflichtet; sie kommt dem aber bisher nicht nach. Der Gerichtshof stufte Kavalas Inhaftierung als unrechtmäßig ein und ordnete seine Freilassung an. Ankara ignorierte dies und verbat sich jegliche "Einmischung" in seine Justizangelegenheiten.
Der Europarat leitete daraufhin im Dezember ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei ein, das in den Verlust des Stimmrechts oder sogar der Mitgliedschaft in der Länderorganisation münden könnte. Mit dem Vertragsverletzungsverfahren erreicht der Streit um die Rechtsstaatlichkeit der türkischen Justiz eine neue Ebene. Am Ende könnte die Frage stehen, ob die Türkei zu Europa gehören will.
Der Berichterstatter des EU-Parlaments für die Türkei, Nacho Sánchez Amor, sagte der Nachrichtenagentur AFP im Anschluss an die Gerichtsverhandlung, es sei "schwer zu verstehen, warum die Türkei den Anordnungen des Gerichtshofs nicht nachkommt, obwohl sie Teil dieser Gerichtsbarkeit ist". Ankara werde "den Konsequenzen nicht entgehen".