Swetlana Tichanowskaja: Die Souveränität von Belarus ist bedroht
DW
Wenn die Zeit gekommen ist, werden die Belarussen wieder auf die Straße gehen, sagt die Oppositionsführerin im Gespräch mit der DW. Das kürzlich geschaffene Übergangskabinett werde den Machtwechsel in die Hand nehmen.
DW: Frau Tichanowskaja, Sie sind zum Warsaw Security Forum nach Polen gekommen, einem Treffen hochrangiger Politiker und Experten. Welche Botschaft hatten Sie dort für die internationale Gemeinschaft?
Swetlana Tichanowskaja: Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass der Krieg in der Ukraine und die humanitäre Krise Teil unserer regionalen Krise sind, die zusammen gelöst werden müssen. Man kann diese Krise nicht beilegen, indem man den Ukrainern hilft, aber die Belarussen zurücklässt. Es ist wichtig, die Verbindung zwischen unseren beiden Ländern zu verstehen. Die Schicksale von Belarus und der Ukraine sind miteinander verwoben. Solange Lukaschenko in Belarus an der Macht ist, wird er immer Putin als Verbündeter dienen. Nun ist auch die belarussische Unabhängigkeit in Gefahr. Eigentlich ist unser Land sogar zum Teil besetzt, ohne Truppen, nur durch die Nähe Lukaschenkos zu Putin. Wir müssen unsere Souveränität und unsere Unabhängigkeit schützen.
Gibt es in Belarus Menschen, die bereit wären zu kämpfen, wenn Lukaschenko entscheiden würde, Russland im Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen?
Das belarussische Volk ist bereit, für sein Land zu kämpfen. Das hat es in den vergangenen zwei Jahren bewiesen. Es stimmt, im Moment sieht man vielleicht keine großen Demonstrationen und Kundgebungen in den Straßen, aber das liegt nicht daran, dass das belarussische Volk aufgegeben hat. Es liegt daran, dass wir in einem Gulag leben, in einer Atmosphäre von Tyrannei und Unterdrückung. Jeder kann jederzeit festgenommen werden, für einen Kommentar auf Instagram, für eine Bemerkung gegen den Krieg oder gegen das Regime. Glauben Sie mir, wenn wir spüren, dass Lukaschenko schwach wird, weil auch Putin schwach wird, dann werden hunderttausende Belarussen auf den Straßen sein. Und dann, in diesem Moment, wird der Plan "Sieg" umgesetzt werden, den wir entwickelt haben. Die staatlichen Organisationen werden blockiert und unser Beauftragter für Verteidigung wird den Kontakt mit dem Militär aufnehmen. Er wird die Armee davon überzeugen, dass es nicht ihre Aufgabe ist, den Diktator zu verteidigen, sondern unsere Unabhängigkeit.
Sollten die europäischen Länder russischen Männern Zuflucht gewähren, die vor der Einberufung und dem Militäreinsatz in der Ukraine fliehen?