
SV Darmstadt 98: Ohne Tamtam, mit Erfolg
Frankfurter Rundschau
Wie Sportchef Carsten Wehlmann den SV Darmstadt 98 in aller Ruhe weiterebtwickelt - womöglich bis zum Sprung ins Oberhaus.
Fernab der luxuriösen Boutiquen, der ausgezeichneten wie hochpreisigen Restaurants und Hotels, hoch droben in einer Berghütte mit Blick aufs Tiroler Wintersportmekka Kitzbühel ging es dann auch irgendwann um Katar. Hansi Flick, der Bundestrainer, zeigte sich sehr interessiert, auch Oliver Bierhoff, der DFB-Manager. Sie wollten wissen, ob sie irgendwas möglicherweise noch nicht wissen über diesen nächsten Austragungsort einer Fußballweltmeisterschaft.
Also erzählte er von seinen Erfahrungen im Emirat, ehrlicherweise nicht allzu lange, es gab weitere Themen bei dieser ungezwungenen Zusammenkunft im Rahmen des DFB-Leadership-Events Ende November 2021 in den Alpen, aber eben doch lange genug. Er, das ist Carsten Wehlmann, der Sportchef von Zweitligist Darmstadt 98, der die Herren Flick und Bierhoff überhaupt erst in Österreich persönlich kennenlernte. Von 2007 bis 2009 hatte er für die katarische Liga gearbeitet, sollte mithelfen, sie zu professionalisieren und voranzubringen, „eine interessante, lehrreiche Zeit“ sei es gewesen, wie Wehlmann im Gespräch mit der FR erklärt, „die mir für meine späteren Aufgaben im Managementbereich geholfen hat.“ Hansi Flick jedenfalls, das verkündete dieser kürzlich am Rande einer Pressekonferenz, wolle demnächst noch mal mit Wehlmann telefonieren - Infos sammeln, immer hilfreich.
Carsten Wehlmann war früher selbst Profi, Torwart unter anderem beim FC St. Pauli, dem Hamburger SV und Hannover 96. Immerhin 74 Zweitligaspiele stehen in seiner Vita, bereits zur aktiven Zeit absolvierte er ein Praktikum bei einer Sportmarketing-Agentur. Über den Tellerrand schauen, Kontakte knüpfen - früher wie heute ein Anliegen des 49-Jährigen.
An die Zeit in Katar schlossen sich für den gebürtigen Hamburger neun Jahre als Kaderplaner, respektive Chefscout (sowie zeitweise parallel als Torwarttrainer) bei Holstein Kiel an, ehe er 2018 nach Darmstadt wechselte - anfangs als Sportkoordinator im Schatten von Trainer Dirk Schuster, der wenig Aufgabengebiete abzutreten bereit war. Doch als Schuster ging, im Februar 2019, blieb Wehlmann - und stieg intern auf zum Sportlichen Leiter.
Fast drei Jahre ist das nun her. Zeit genug, um in komplexen Zeiten (drei Trainerwechsel, Etat-Reduzierung, Pandemie) persönlich zu wachsen, das eigene Profil zu schärfen. Der Mann mit dem wallenden Haar war ja zu Beginn keiner, den die Darmstädter Fans sofort mit weit geöffneten Armen empfangen hätten. Viele kannten ihn nicht, ein relativer No-Name, dazu zurückhaltend auftretend. Wehlmann brauchte, ganz logisch, erst einmal eine gewisse Zeit, um sich reinzufuchsen ins neue Umfeld, die Aufgaben. Weder in Katar noch in Kiel stand er im totalen Fokus der Öffentlichkeit.