Stuttgart-Tatort „Videobeweis“ (ARD): Hätte sie nur Nein sagen brauchen?
Frankfurter Rundschau
Der Stuttgart-Tatort „Videobeweis“ (heute im Ersten) müht sich mit dem Thema Vergewaltigung.
Frankfurt am Main - Zwei Ermittler und (k)eine Vergewaltigung: Wort steht gegen Wort im Stuttgart-Tatort „Videobeweis“ (ARD) – und obwohl es ein heimlich aufgenommenes Video gibt, sind die Szenen so uneindeutig, dass jeder Beweis für Gewalt oder im Gegenteil für Einverständnis fehlt. Sebastian Bootz, Felix Klare, würde den Fall am liebsten einer Kollegin geben. Thorsten Lannert, Richy Müller, zeigt sich überzeugt, die Chose zu durchschauen: „So verhält sich keine Frau, die zwei Tage vorher vergewaltigt wurde.“ Will sagen: so kühl, so gefasst? So wenig hysterisch und heulend? Oh Mann.
Der Tatort „Videobeweis“ in der ARD von Katharina Adler, Buch, und Rudi Gaul, Buch und Regie, wagt sich auf heikles Terrain und versucht, es in diverse Richtungen zu durchschreiten. Der jüngere Ermittler, Bootz, schon etwas anders sozialisiert, hat immerhin die Idee, die Praktikantin kurz mal nach ihrem Eindruck zu fragen. Der ältere, Lannert, findet die Betroffene/gleichzeitig Verdächtige attraktiv, geht zu ihr nach Hause (nur wegen der Recherche!), greift sogar zur Gitarre – und glaubt, er könne auf sein Bauchgefühl setzen. Beide Kommissare wissen, dass das kein üblicher Fall ist – bis es am Ende doch ein üblicher Fall wird, mit einer schrecklich läppischen, ratlos machenden Auflösung.
Auch mit einer Verortung nach der Pandemie haben Gaul und Adler keine sehr glückliche Entscheidung getroffen: Denn es beginnt mit der ausgelassenen Weihnachtsfeier eines Versicherungsunternehmens, Ursina Lardi bezirzt mit ihrem (Karaoke-)Singen, von Abstandhalten kann sowieso keine Rede sein. Am nächsten Tag – ein Toter wird im Foyer der Firma gefunden – sagt der Hausmeister zur Polizei: „Kaum dürfet die wieder, zerlege die den ganze Lade.“ Nur dürfen die TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer eben gerade wieder gar nicht.