
Studie: Polizeigewalt nur unzureichend erfasst
DW
Frankfurter Kriminologen haben Fälle übermäßiger Gewalt durch Polizisten in Deutschland untersucht. Vor allem bei der Aufarbeitung solcher Gewalt sieht die Studie große Defizite.
Übermäßige polizeiliche Gewalt wird in Deutschland nur selten aufgearbeitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Das Forschungsteam interviewte mehr als 3300 Betroffene sowie Polizeikräfte, Richter und Mitarbeiter von Opferberatungsstellen. Die Befragten berichteten vor allem im Hinblick auf Großveranstaltungen wie Demonstrationen und Fußballspiele von übermäßiger Polizeigewalt. Ebenfalls oft genannt wurden Konfliktsituationen oder Personenkontrollen.
Am häufigsten gaben junge Männer an, polizeiliche Gewalt erfahren zu haben. 19 Prozent der Betroffenen berichteten demnach von schweren physischen Verletzungen. Psychische Belastungen spielten ebenso eine Rolle. Wut, Angst vor der Polizei, das Meiden bestimmter Situationen oder Orte sowie der Verlust des Vertrauens in den Rechtsstaat wurden dabei genannt.
Bei der Anwendung übermäßiger polizeilicher Gewalt spielen laut Studie sowohl "individuelle wie auch situative und organisationale Faktoren" eine Rolle. Mängel in der Kommunikation, Stress, Überforderung, aber auch diskriminierendes Verhalten von Beamten können demnach übermäßige Polizeigewalt begünstigen.
Rechtswidrige polizeiliche Gewalt wird laut Studie nur selten angezeigt - die Befragten hatten eine niedrige Anzeigebereitschaft. Als Grund wurde mehrfach genannt, dass andere Personen, darunter auch Rechtsanwälte, von einer Anzeige abrieten. Sowohl von Betroffenen als auch von Polizisten wurde überdies berichtet, dass die Aufnahme von Strafanzeigen gegen Polizeibeamte "in Polizeidienststellen mitunter verweigert" werde.
"Ein Großteil der Verdachtsfälle rechtswidriger polizeilicher Gewaltanwendungen verbleibt dadurch im Dunkelfeld", erklärte Studienautor und Kriminologieprofessor Tobias Singelnstein. Nur 14 Prozent der befragten Betroffenen gaben demnach an, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe.