
Streumunition: Heimtückisch, geächtet - und noch immer im Einsatz
DW
Ähnlich wie eine Landmine entwickelt Streumunition seine tödliche Wirkung oft erst Jahre später. Die Opfer sind meist Zivilisten, wie auch bei einem mutmaßlichen Einsatz in der Ukraine. Ein Überblick.
Zuerst war da ein Lichtblitz, und dann ganz viel Rauch: Der Ehemann von Oksana Litvynyenko erinnert sich im Gespräch mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International noch minutiös an den Tag, der sein Leben massiv veränderte. Gemeinsam mit seiner Frau und seiner vierjährigen Tochter hatte er in der ukrainischen Stadt Charkiw einen Spielplatz besucht - bis die Gegend auf einmal beschossen wurde. "Überall war Rauch, und ich konnte nichts sehen. Als der Rauch sich auflöste, sah ich Menschen am Boden liegen. Meine Frau Oksana lag am Boden", sagt Ivan laut dem am Montag veröffentlichten Bericht.
Seine 41-jährige Ehefrau wurde an dem Tag mutmaßlich durch explodierende Streumunition der russischen Truppen schwer verletzt, Researcher von Amnesty International fanden später entsprechende Metallteile als Beleg. Die Splitter durchdrangen Rücken, Brust und Bauch der Frau. Ob sie sich jemals von ihren Verletzungen erholen, wieder sprechen oder laufen wird, ist unklar.
Die 1,5-Millionenstadt wird seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine bombardiert, laut der Organisation auch mit Streumunition des Typs 9N210/9N235, das völkerrechtlich verboten und durch ein internationales Übereinkommen geächtet ist. Doch dieser Einsatz ist bei weitem kein Einzelfall.
Streumunition wird als Bombe aus einem Flugzeug abgeworfen oder auch als Rakete mit Haubitzen, Artilleriegeschützen und Raketenwerfern verschossen. Sie enthält hunderte Minibomben, die sich auf besonders weite Regionen verteilen - von der Fläche einiger Fußballfelder bin hin zu mehreren Hektar Land. Dabei tötet sie nicht nur Soldaten, sondern vor allem auch Zivilistinnen und Zivilisten, darunter viele Kinder. Sie ist seit dem Zweiten Weltkrieg im Einsatz und wurde beispielsweise auch im Vietnamkrieg eingesetzt. So feuerten die USA über Laos rund 260 Millionen Minibomben ab und machten das Land damit zum weltweit verseuchtesten.
Noch Jahrzehnte später können Blindgänger zu einer tödlichen Falle werden, da nur rund 40 Prozent während des Aufpralls explodieren, so die Hilfsorganisation Handicap International. Die Munition bleibt explosionsbereit und kann jederzeit einen Menschen verstümmeln oder töten. Damit arbeiten sie ähnlich desaströs wie Landminen und machen betroffene Landstriche mitunter unbewohnbar. So sind auch in Laos Jahrzehnte nach dem Krieg noch immer einige Gebiete komplett verseucht.