Strategisch wichtiger Frontdurchbruch? Ukrainisches Militär überwindet offenbar den Dnipro
Frankfurter Rundschau
Die Ukraine soll im Zuge der Gegenoffensive russisches Militär in die Flucht geschlagen haben. Der Weg in den Süden wird damit immer zugänglicher.
Dachi – Besonders von russischer Seite häuften sich in den vergangenen Tagen die Meldung, dass das ukrainische Militär weiter Richtung Süden vorstoße. Die eher schleppend angelaufene Gegenoffensive im Ukraine-Krieg sei nun am Ostufer des Dnipro im Oblast Cherson intensiviert worden. Berichte von russischen Militärbloggern auf Twitter und Telegram verkündeten Angriffe auf die Frontlinie. Den Fluss sollen die Truppen überquert haben, aber bis Cherson gebe es noch einige Hürden.
Demnach soll sich das ukrainische Militär nahe der Antoniwka-Brücke nordöstlich von Cherson verschanzt haben. Seit Ende vergangener Woche hätten sich Soldaten dort aufgehalten, den Dnipro mit Schnellbooten überquert und Artillerie auf die russischen Soldaten gefeuert. Die Überreste der Brücke hätten als Deckung gedient. Die Kämpfe dauern seit Samstag an, so die russischen Quellen. Offiziell wurden die Kämpfe und Überquerung des Dnipro nicht verifiziert, so das Institute for the Study of War (ISW).
Die Überquerung des Flusses ist zwar nicht bestätigt, das erfolgreiche Vorgehen der Ukraine in der Gegenoffensive hingegen: „Ukrainische Kräfte haben sowohl an der nördlichen als auch an der südlichen Flanke Fortschritte gemacht“, hieß es im täglichen Geheimdienstbericht zum Krieg in der Ukraine des Verteidigungsministeriums in London am 26. Juni. Das zeigen auch die nicht verifizierten Aufnahmen auf Twitter. Sie sollen den Beschuss in der Ortschaft Dachi zeigen. Ein russischer Panzer soll auf die ukrainischen Stellungen am Südende der Antoniwka-Brücke zielen, um den Russen einen Rückzug zu ermöglichen.
Russland hatte bereits in den vergangenen Wochen angefangen, Teile seiner Dnipro-Truppen vom Ostufer anzuziehen. Damit soll laut britischem Geheimdienst die Front bei Saporischschja und Bachmut gestärkt werden. Darunter seien tausende Soldaten der 49. Armee gewesen. Mit der offenbaren Überquerung des Dnipro sieht Russland vermutlich auch die in 2014 völkerrechtswidrig annektierte Halbinsel Krim in Gefahr. Dort habe Russland seine Verteidigungsanlagen ausgebaut – besonders im Verbindungsgebiet von Cherson und der Krim, schätzte das britische Verteidigungsministerium am 21. Juni die Lage ein. Das zeige, dass Moskau der Ukraine einen direkten Angriff zutraue. „Für Russland hat die Aufrechterhaltung der Kontrolle über die Halbinsel weiterhin höchste politische Priorität“, hieß es weiter.
So einfach ist der Weg nach Süden jedoch nicht. Denn viele Twitter-User gehen davon aus, dass das russische Militär die Konka-Brücke vermint habe – und bei einem Vormarsch der Ukraine sprengen werde. Das taten sie bereits mit der Antoniwka-Brücke, die durch Kämpfe jedoch schon stark beschädigt war, berichteten russische Militärblogger. Den Weitermarsch würde auch das nach dem Dnipro folgende Sumpfgebiet erschweren, schrieb ein Twitter-Nutzer, der laut eigenen Angaben aus Cherson stamme. Das Gelände sei zwar unwegsam, unmöglich sei es dennoch nicht.