
Spuren kolonialer Vergangenheit
Frankfurter Rundschau
China baut Stadien in Entwicklungsländern und sichert sich dadurch im Gegenzug wertvolle Rohstoffe und Öl – auch beim Afrika-Cup in Kamerun
Die Afrikameisterschaft findet in einem Kriegsland statt: in Kamerun. Die frankophone Regierung kämpft dort im Westen des Landes gegen anglophone Separatisten. Rund 4000 Menschen sollen getötet worden sein, 700 000 befinden sich auf der Flucht. In den zensierten Medien des zentralafrikanischen Staates ist von Anschlägen und Gefahren für den 33. Afrika-Cup wenig zu erfahren. Seit vierzig Jahren wird Kamerun autokratisch von Paul Biya geführt, der bald seinen 89. Geburtstag feiert. Es dominieren Botschaften von Aufbruch, Zusammenhalt – und von mächtigen Freunden aus Fernost.
Zwei der sechs Stadien für den Afrika-Cup wurden von chinesischen Firmen gebaut, in Bafoussam und in Limbe, es sind funktionale Bauten für jeweils 20 000 Zuschauende. Lokale Medien berichten, dass sich Schritt für Schritt kleinere Geschäfte ansiedeln werden und dadurch 5000 Arbeitsplätze entstehen könnten. Auch Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua widmete den Stadien einen Bericht, zu Wort kam darin auch der kamerunische Regionalpolitiker Augustine Awa Fonka: „Die Handelsbeziehungen zwischen China und Kamerun haben eine große Zukunft.“ Kamerun verfügt über beachtliche Vorkommen an Erdöl, Eisenerz und Gold, doch die Infrastruktur für die Erschließung ist ausbaufähig. China könnte bei der Entwicklung helfen.
Kamerun ist nur ein Beispiel. Mehr als hundert Arenen hat China in Entwicklungsländern gebaut, zwei Drittel davon liegen in Afrika. Ob Ghana oder Angola, Gabun oder Äquatorialguinea: Peking vergab günstige und langfristig angelegte Kredite an Gastgeber vergangener Afrikameisterschaften. Und sicherte sich im Gegenzug den Zugang zu seltenen Erden und Rohstoffen wie Öl, Kupfer oder Kobalt. Inzwischen ist die Volksrepublik in den genannten Ländern einer der wichtigsten Handelspartner. „China möchte strukturelle Abhängigkeiten schaffen“, sagt Simon Chadwick vom Zentrum für die Eurasische Sportindustrie. „In Afrika stößt Peking auf weniger Restriktionen als in Europa. Und die Regime vor Ort können sich mit neuen Stadien als großzügig und volksnah präsentieren.“ Es sind Regime, die wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen.
Die chinesischen Netzwerke wachsen auf dem afrikanischen Kontinent seit Jahrzehnten. Während des Kalten Krieges in den Fünfziger Jahren hatte China unter Mao Zedong Wirtschaftshilfen von der Sowjetunion bezogen. Für die gemeinsame Sache unterstützte Peking in Afrika sozialistische Regierungen und Rebellen, schickte Bauarbeiter und Material für günstige Infrastruktur, auch für Sportstätten. 1964 besuchte Premierminister Zhou Enlai zehn afrikanische Staaten, die unabhängig geworden waren. Einige Zeremonien fanden in Stadien statt. 1971 trat die Volksrepublik anstelle von Taiwan den Vereinten Nationen bei – auch mit Unterstützung aus Afrika.
Von einem Bauboom kann man aber erst im 21. Jahrhundert sprechen. Auf seinem Staatsbesuch in der senegalesischen Hauptstadt Dakar besuchte Staatschef Xi Jinping 2018 auch das neue Nationalstadion für Ringen, erbaut in 28 Monaten von chinesischen Firmen. „Für viele Staaten sind Stadien wichtige Wahrzeichen. Um sie herum können Geschäfte und Viertel entstehen“, sagt Ding Guanghui von der Universität für Ingenieurwesen und Architektur in Peking. „Doch auch die chinesische Regierung verfolgt mit solchen Bauten politische Ziele.“