Spanien in der Zwickmühle: Droht eine Gaskrise mit Algerien?
DW
Spaniens Kehrtwende in der Westsahara-Politik hat in Algerien eine heftige Reaktion hervorgerufen. Die Handelsbeziehungen sind eingefroren. Fließt auch bald kein Gas mehr?
Möglicherweise war es kein Zufall: Am selben Tag, an dem Algerien den Freundschaftsvertrag mit Spanien aussetzte, kamen von der gegenüberliegenden algerischen Küste sechs Flüchtlingsboote mit 113 Menschen auf Mallorca an. Es war die größte Zahl algerischer Bootsflüchtlinge, die dieses Jahr auf der spanischen Mittelmeerinsel an einem Tag gezählt wurde.
Benutzt nun auch Algerien die Migration als politisches Druckmittel? So wie es schon bisher der Nachbar Marokko tat, wenn er sich von Spanien schlecht behandelt fühlte? Die Bilder aus Spaniens Grenzstadt Ceuta sind noch in guter Erinnerung: Vor einem Jahr hatte Marokko plötzlich seine Tore zu dieser spanischen Exklave an der nordafrikanischen Küste geöffnet. Binnen weniger Stunden kamen Tausende Migranten über die Grenze.
Doch mit dem Freundschaftsbruch zwischen Spanien und Algerien steht nicht nur die Migrationspolitik auf dem Spiel. Vielmehr wächst die Sorge, dass dieses Zerwürfnis eine neue Gaskrise an der Südflanke Europas provozieren könnte. Ausgerechnet jetzt, wo die Europäer sich von russischem Gas unabhängig machen wollen.
Algerien ist Spaniens zweitwichtigster Gaslieferant. Das Wüstenland liefert rund ein Viertel des spanischen Bedarfs. Aber nicht nur Spanien, sondern auch die EU ist von Algerien abhängig. Die EU bezieht momentan rund elf Prozent ihres Gases von dort. Obwohl westliche Geheimdienste schon länger warnen, das autoritäre Regime in Algerien könnte, ähnlich wie Russland, das Gas als politische Waffe benutzen und somit ebenfalls ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Diese Befürchtung ist nicht grundlos, wie sich in den vergangenen Monaten zeigte: Im November 2021 sperrte Algier eine seiner beiden Fernleitungen, die Spanien mit den Gasfeldern verbinden. Und zwar die Maghreb-Europe-Pipeline, durch die jährlich 12 Milliarden Kubikmeter Gas gepumpt wurden. Sie führt über marokkanisches Gebiet durch die Meerenge von Gibraltar nach Spanien. Gewissermaßen als Wegzoll durfte auch Marokko aus der Pipeline Gas entnehmen.