Spaß in der Bahn
Süddeutsche Zeitung
Vierter Wettbewerb - viertes Gold. Die deutschen Rennrodler gewinnen auch den Teamwettbewerb und schaffen damit eine perfekte Serie in Peking. Tobias Wendl trifft gerade noch rechtzeitig die Abschlagmatte.
Minus. Plus. Minus. Plus. Zwischendurch wechselten die Zeiten in diesem letzten Rennrodel-Wettkampf auf dem Olympia-Kurs von Peking wild hin und her. Den Deutschen, die bisher alles gewonnen hatten, bekamen im allerletzten Lauf, kurz vorm Ende ihres von allen erwarteten vierten Triumphs offenbar doch noch ihre Grenzen aufgezeigt. Denn im mittleren der drei Team-Staffel-Abschnitte ritten sie an der Grenze zwischen Platz eins und zwei hin und her, und am Ende, als das Doppel mit hauchdünnem Vorsprung in Richtung Ziel schoss, da hätte doch längst schon die rechte Hand von Tobias Wendl in Richtung Abschlagmatte hochschnellen müssen, nur - wo war sie?
Es ist schon vorgekommen, dass Rodler die nur mittelgroße Fläche verfehlt und mit einem Lufthieb das gesamte Team noch aus dem Rennen geschlagen hatten. Doch ja, Wendl behielt alles im Griff, und wenn er auch hinterher über sich selber grinsen musste, es hatte gereicht. Rodelteam Deutschland landete mit 0,08 Sekunden Vorsprung vor Österreich, Bronze gewann die Mannschaft aus Lettland, sie lag dann doch schon 0,948 Sekunden nach den drei Teilrennen zurück. Damit zählen Natalie Geisenberger und das Duo Wendl/Arlt zu jenen Sportlern, die neben dreimal Team-Gold auch schon drei Olympiasiege im Einzel errungen haben. "Wir sind dann einfach los und hatten Spaß in der Bahn. Es ist verrückt", sagte Arlt und sein Partner Wendl ergänzte: "Das sechste Gold ist einfach fantastisch. Wir haben verdient gewonnen und werden feiern."
Die Rodler Geisenberger, Wendl und Arlt lösen Claudia Pechstein an der Spitze der ewigen deutschen Medaillenrangliste bei Winterspielen ab. Die drei werden darum sicher weniger Aufhebens machen. Kommentar von Claudio Catuogno
Insgesamt hatten die drei Rodelmannschaften vom Bob- und Schlittenverband Deutschland also vier Goldmedaillen bei diesen Spielen geholt, zudem noch zwei silberne Plaketten. Alle vorausgegangenen Erfolge waren souverän eingefahren worden, bei der Teamstaffel gerieten aber nun kleinere Fehler dazwischen, was vielleicht auch damit zusammenhing, dass die Deutschen erstmals in diesem noch jungen Wettkampf auf einmal richtig unter Druck standen.
Geärgert hatten sie sich ja schon am Tag zuvor, jedenfalls die betroffenen Wendl und Arlt. Die hatten, etwa um zehn Uhr abends, als Doppelsitzer das dritte Rodelgold für den BSD errungen, sich zum Gruppenfoto aufgestellt, auf das plötzlich auch Thomas Bach, der Chef des Internationalen Olympischen Komitees, rückte. Normalerweise ein üblicher Vorgang, in diesem Fall aber machten Wendl/Arlt zwar gute Miene, empfanden Bachs Anwesenheit aber als aufdringlich, so berichtete Bild. Dies hatte offenbar mit einem üblen Corona-Quarantäne-Erlebnis von Arlt zu tun, der sich dabei vom IOC alleingelassen fühlte. Beim Test-Weltcup in Yanqing im November traf er im Isolationshotel auf Kakerlaken, auch das Essen sei miserabel gewesen. Allerdings, am nächsten Tag war der Ärger verflogen, vielleicht waren Wendl/Arlt aber auch schon wieder im nächsten Konzentrationstunnel, nämlich dem vor der Teamstaffel.