Sondierung mit Risiko: FDP und Grüne benehmen sich wie Volksparteien
Frankfurter Rundschau
Ohne sie gibt es nach der Bundestagswahl 2021 wohl keine Koalition. Den Zustand genießen Grüne und FDP sichtlich. Doch die Quittung kommt bestimmt. Der Leitartikel.
Frankfurt - Wie vergesslich sind wir eigentlich? Das darf sich schon mal fragen, wer auf die ersten Sondierungsrunden zur Bildung einer neuen Regierungskoalition nach der Bundestagswahl 2021 schaut. Jenseits der mit Hingebung diskutierten Frage nach Ampel oder Jamaika war ein Phänomen schon seit dem Wahlsonntag zu beobachten: Die beiden kleineren Partner tun gerade so, als seien sie gemeinsam die neue Volkspartei.
Der Wahlkampf ist seit nicht einmal zwei Wochen vorüber, und niemand scheint sich zu erinnern, wie Grüne und FDP damals übereinander sprachen. Beispiel Christian Lindner (FDP): Statt auf der grünen „Verbotsorgel“ zu spielen, müsse „privates Kapital und privates Wissen“ mobilisiert werden. Antwort Annalena Baerbock (Grüne): „Die Klimakrise regelt kein Markt, denn dem Markt sind Menschen herzlich egal.“
Heute überschlägt sich die Berliner Blase in Lob und Preis für die Gemeinsamkeiten dieser beiden Parteien und für die schöne „Erzählung“, mit der sie Seit‘ an Seit‘ das Land beglücken wollen. Wie sie aussieht, diese Erzählung, weiß bisher niemand oder wer es zu wissen glaubt, sagt es nicht. Aber mit dem, was Grüne und FDP den Wählerinnen und Wählern einen Sommer lang erzählt haben, kann es nicht viel gemeinsam haben.