
Sogar Arbeiten in Tschernobyl: Projekt in Osteuropa könnte schlimme Folgen haben
Frankfurter Rundschau
In Osteuropa wird ein gigantomanisches Projekt geplant. Ein einzigartiges Naturgebiet würde dadurch zerstört werden. Die Kolumne.
Warschau – Es könnte die 500.000-Euro-Frage sein. Was ist Polesien? Findige Geister würden wohl ableiten, es müsse mit Polen zu tun haben. Säße ein naturschutzbewegter Mensch auf dem Kandidatenstuhl, hätte er beste Chancen, den Gewinn einzustreichen. Denn Polesien ist ein Gebiet, das der internationalen Fachwelt aus Ökologie und Naturschutz aktuell größte Sorgen bereitet.
Zwei der Länder, in denen es liegt, tauchen derzeit täglich in den Nachrichtensendungen auf, nämlich Belarus und die Ukraine, wenngleich in gänzlich anderem Zusammenhang. Das dritte Land im Bunde ist in der Tat Polen.
Dort plant man bei Siarzewo einen riesigen Staudamm. Er soll der Stromerzeugung dienen. Insbesondere ist er aber, noch Hunderte von Kilometern von Polesien entfernt, ein Kernstück für den Ausbau der E 40-Wasserstrasse, mit der eine 2000 Kilometer lange Verbindung zwischen Ostsee und Schwarzem Meer geschaffen werden soll, befahrbar für große Frachtschiffe.
Diese Wasserstraße würde Polesien, das größte intakte Feuchtgebiet Europas durchschneiden, ihr Ausbau würde großräumige Schäden am Fluss Prypjat und seinen Nebenflüssen, an den Seen, Wäldern und Sümpfen auslösen.
Artenreichtum, Dynamik, Schönheit und Klimarelevanz brachten dem Gebiet den Spitznamen „Amazonien Europas“ ein. Darin liegen mehrere Nationalparks und andere streng geschützte Gebiete. Die Prypjatsümpfe umfassen 90.000 Quadratkilometer!