Shell will Lkw mit Gülle betanken
Süddeutsche Zeitung
Der Konzern hat so viele Treibhausgase verursacht wie sonst kaum jemand auf der Welt. Doch ausgerechnet Shell braucht künftig viel Ökostrom - damit die Raffinerie in Köln auch ohne Erdöl laufen kann.
Manchmal erzählt ein neuer Name schon die halbe Geschichte. Man nehme zum Beispiel die Rheinland-Raffinerie: Das riesige Labyrinth aus weißen Tanks und grauen Rohren, Fabriken und Schornsteinen im Süden Kölns heißt neuerdings "Energy and Chemicals Park". Von Naherholung und Ententeich zwar keine Spur, Shell verarbeitet hier Unmengen an Erdöl zu Kraftstoffen und Chemikalien. Doch Deutschland-Chef Fabian Ziegler nennt den Park gern "Herzstück des neuen Unternehmens Shell".
Eine neue Anlage für Flüssiggas auf Gülle-Basis, die Shell nun baut, ist nur das neueste Beispiel dafür, wie sich einer der größten Ölkonzerne der Welt allmählich rüstet: für eine Zukunft, die auf Ressourcen wie Mist, Holzabfällen oder Ökostrom basiert.
Shell ist einer der größten Treibhausgas-Verursacher der Menschheitsgeschichte. Die mehr als 100 Jahre alte, britisch-niederländische Firma fördert weltweit Erdöl und verarbeitet es zu Benzin, Heizöl oder Kerosin. An der Börse zählt Shell noch immer zu den 100 wertvollsten Unternehmen der Welt, die ganze Branche profitiert derzeit von hohen Energiepreisen.
Doch der Wandel steht buchstäblich vor der Tür: Mehr und mehr Elektroautos ersetzen Verbrennungsmotoren, neue Häuser heizen mit Wärmepumpen statt mit Öl. Staaten fördern klimaschonende Technologien und verteuern fossile Rohstoffe.
Konzerne wie Shell sagen daher, dass sie spätestens im Jahr 2050 klimaneutral wirtschaften wollen. Doch das geht vielen nicht weit genug. Voriges Jahr fiel in den Niederlanden ein erstes Urteil, wonach Shell eigene Klimaziele verschärfen muss; geklagt hatten Umweltverbände. Obendrein legen manche Investoren kein Geld mehr in Firmen an, die zu abhängig von Erdöl sind. Nun trennt sich Shell einerseits von einem Teil der Raffinerien weltweit, baut Arbeitsplätze ab - und sucht andererseits neue Geschäfte.