
Serbien: Massenproteste nach Amokläufen
DW
Zwei Amokläufe innerhalb einer Woche entwickeln sich in Serbien zum Politikum. Präsident Aleksandar Vucic antwortet mit Diffamierungen gegenüber oppositionellen Demonstranten.
"Menschen in Serbien sind auch ohne das, was passiert ist, nicht besonders glücklich", sagt die 33-jährige Verkäuferin Ana Pavic, die schwanger und mit ihren zwei kleinen Kindern in der Protestkolonne mit dabei war. "Und hinzu kommt noch, dass das System scheitern wird, wenn so etwas passiert."
Mit "so etwas" meint Pavic die zwei Amokläufe von vergangener Woche. Am Mittwoch (3.05.2023) hatte ein 13-jähriger Junge acht seiner Mitschüler und den Hausmeister in einer Belgrader Grundschule erschossen. Am Donnerstag (4.05.2023) feuerte ein 21-Jähriger wahllos auf Menschen in mehreren Dörfern fünfzig Kilometer südlich von Belgrad. Seine Bilanz - acht Tote. Deswegen ist Ana Pavic in Belgrad auf die Straße gegangen, zusammen mit zigtausenden Demonstranten. Auch in anderen Städten gab es Protestkundgebungen. Was denn in Serbien gescheitert sei, fragt sie der DW-Reporter? "Alles. Justiz, Mitleid, einfach alles. Wir müssen endlich etwas ändern."
Den friedlichen Protest am Montagabend (8.05.2023) hatten mehrere ideologisch grundverschiedene Oppositionsparteien organisiert - von links-grün bis rechts-nationalistisch. Eine wahre Herausforderung für die regierende konservative "Serbische Fortschrittspartei" und deren starken Mann, den Staatspräsidenten Aleksandar Vucic.
Seit elf Jahren regiert Vucic das Balkanland mit eiserner Hand, mal als Regierungschef, mal als Staatspräsident. Dabei hält er die meisten Medien an der kurzen Leine. Vucic laviert zwischen EU und Russland, innenpolitisch setzt er auf Selbstdarstellung.
Seit der ersten Schießerei am vergangenen Mittwoch hat sich der Präsident bereits viermal an sein Volk gewandt. Und ausgeteilt gegen seine Kritiker hat er auch. Die Opposition habe "die Gefühle der Menschen brutal missbraucht", so Vucic nach dem Protest als Gast im pro-russischen TV-Sender "Happy": "Ich werde vor diesen Feiglingen nicht wegrennen", donnerte er. "Wenn nötig, werden wir Neuwahlen auf allen Ebenen haben."