Seltener Zerfall des Higgs-Boson beobachtet – Hinweis auf eine „neue Physik“?
Frankfurter Rundschau
Forscherinnen und Forscher am Kernforschungszentrum Cern beobachten eine neue Art des Zerfalls beim Higgs-Boson. Steckt dahinter eine „neue Physik“?
Genf – Als 2012 das Higgs-Boson mithilfe des Teilchenbeschleunigers im Kernforschungszentrum Cern in Genf entdeckt wurde, war die Freude in der Wissenschaft riesig: Eine Theorie, die der Physiker Peter Higgs und andere Forscher bereits 1964 entwickelt hatten, war dadurch bestätigt worden und auch das physikalische Standardmodell hatte dadurch Bestätigung erfahren. Higgs und sein Physiker-Kollege François Englert erhielten 2013 den Physiknobelpreis für die Entdeckung des Higgs-Mechanismus.
Doch rund um das Higgs-Boson sind noch längst nicht alle Rätsel geklärt, die Forschung geht weiter. Am Teilchenbeschleuniger LHC im Cern ist es einem Forschungsteam nun gelungen, erstmals eine theoretisch vorhergesagte, aber bisher noch nie beobachtete Zerfallsform des Higgs-Bosons zu beobachten. Dabei zerfällt das Higgs-Boson in ein Z-Boson und ein Photon – allerdings nicht auf direktem Weg. Zuvor entstehen verschiedene „virtuelle“ Partikel, die scheinbar aus dem Nichts auftauchen und wieder verschwinden, weshalb man sie nicht direkt nachweisen kann.
Diese virtuellen Partikel könnten auch neue, bisher noch nicht bekannte Partikel beinhalten, die mit dem Higgs-Boson interagieren, vermuten die beteiligten Forscherinnen und Forscher. „Die Existenz neuer Teilchen könnte erhebliche Auswirkungen auf seltene Higgs-Zerfallstypen haben“, erklärt Florencia Canelli, Physikkoordinatorin des CMS-Experiments im Cern.
Das physikalische Standardmodell sagt vorher, dass ein Higgs-Boson mit einer Masse von etwa 125 Teraelektronenvolt in rund 0,15 Prozent der Fälle in ein Z-Boson und ein Photon zerfällt. Manche Theorien, die über das Standardmodell hinausgehen, sagen eine andere Zerfallsrate vorher. Deshalb liefert die Messung dieser Rate den Forscherinnen und Forschern wichtige Einblicke in die Physik jenseits des Standardmodells und in die Natur des Higgs-Bosons.
In Genf haben sich deshalb die Forscherinnen und Forscher der Experimente CMS und ATLAS zusammengetan und ihre Daten kombiniert, um dem Higgs-Boson auf die Spur zu kommen. Entdeckt wurde dabei der Zerfall des Higgs-Teilchens in ein Z-Boson und ein Photon. Und schon die ersten Daten zeigen, dass die Zerfallsrate deutlich höher liegen könnte, als theoretisch vorhergesagt, nämlich bei 0,34 Prozent. Hier könnte eine „neue Physik“ am Werk sein, die bisher noch gar nicht entdeckt wurde.