
Selenskyj ohne Bonbons und purer Judenhass
n-tv
Lange Zeit dient die russische Propaganda in Deutschland hauptsächlich dazu, die Menschen von der Sichtweise des Kreml auf den Krieg in der Ukraine zu überzeugen. Doch seit dem Großangriff der Hamas auf Israel setzen kremlfreundliche Medien vermehrt auf die Verbreitung von Antisemitismus.
Es ist Halloween, eine Gruppe verkleideter Kinder im Kostüm des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj stehen traurig vor einem Hauseingang. In ihren Händen halten sie ausgehöhlte, leere Kürbisse. Alle Bonbons hat ein Junge bekommen, der das Kostüm eines Juden angezogen hat. "Dieses Mal wird es nicht genug Süßigkeiten für alle geben", steht unter dem Bild. Das ist angeblich das Cover der aktuellen Ausgabe des bekanntesten deutschen Satiremagazins "Titanic" - zumindest, wenn man der russischen Propaganda glaubt. In Wirklichkeit ist die Oktober-Ausgabe mit einem ganz anderen Titelbild erschienen, das weder mit der Ukraine noch mit Israel etwas zu tun hat.
Zahlreiche kremlfreundliche Telegramkanäle und prominente russische Medienvertreter teilten das gefälschte Cover. "Der Trend hat sich geändert. Bettler Selenskyj kriegt nichts mehr, alle Süßigkeiten und Aufmerksamkeit der Welt bekommt nun Israel", schrieb dazu etwa Olesja Losewa, Moderatorin einer beliebten politischen Talkshow im russischen Staatsfernsehen, in einem Telegram-Post. Auch Wladimir Solowjow, der als Chef-Propagandist des Kremls bekannt ist, teilte das Bild. Später wurde der Post gelöscht. Das gefälschte "Titanic"-Cover ist nur eines der unzähligen Beispiele dafür, wie die russische Propaganda ihre anti-ukrainischen und seit neuestem auch vermehrt antisemitischen Narrative unters Volk bringt. Nicht nur in Russland, sondern auch in Deutschland.
Mit solchen Fälschungen verfolge Russland gleich mehrere perfide Ziele, erklärt Osteuropa-Experte Alexander Friedman im Gespräch mit ntv.de. Der Historiker lehrt Zeitgeschichte und osteuropäische Geschichte an der Universität des Saarlandes und an der Universität Düsseldorf. Einerseits werde dem russischen Publikum vorgegaukelt, die Menschen in Europa hätten es satt, die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland zu unterstützen. Gleichzeitig solle der Eindruck erweckt werden, dass antisemitische Karikaturen in Deutschland wieder etwas Normales sind - was wiederum ganz gut in die Erzählung vom "faschistischen Westen", gegen den Russland in der Ukraine angeblich kämpfe, hereinpasst.
