Selbstbewusste EU
Frankfurter Rundschau
Die Corona-Bilanz fällt besser aus als gedacht. Gelingt eine solche Neuentdeckung Europas auch in der Wirtschafts- und Verteidigungspolitik? Der Leitartikel.
Ursula von der Leyen trainiert viel. Zu den Effekten zählt eine aufrechte Körperhaltung, mit der die EU-Kommissionspräsidentin mitunter schon auffällt, wenn sie irgendwo den Saal betritt. Bei ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union addierten sich ihre Pose und ihre Positionierungen zu einem politischen Ganzen: Der Rest der Welt blickt auf eine Führung in Europa, die trotz aller weltpolitischen Schwierigkeiten mehr denn je den Rücken gerade macht.
Die Europäische Union strahlt neues Selbstbewusstsein aus, und sie hat dafür auch gute Gründe. Die Corona-Bilanz zum Beispiel fällt besser aus als anfangs gedacht. Die Impfquote unter den 440 Millionen EU-Bürger:innen liegt höher als in den zunächst als Vorbild gefeierten USA. Die EU ist in der Corona-Krise auch nicht ökonomisch kollabiert, sondern meldet inzwischen Wachstumsraten, die die Erwartungen übertreffen. Eine Stabilisierung der Arbeitsmärkte durch neue Sozialfonds hat geholfen, etwa in Spanien und Italien Entwicklungen wie nach der Finanzkrise von 2009 zu verhindern.
Das engere Zusammenrücken der EU-Staaten macht auch im Rest der Welt Eindruck. Nachdem die internationalen Finanzmärkte früher oft gegen Europa spekuliert haben, gelten jetzt die neuen Green Bonds der EU zur Finanzierung eines klimagerechten Neustarts als attraktive Anlage.