"Seele und Körper für unsere Freiheit"
ZDF
Serhii Kaliuzhnyi hatte schon alles für die Flucht vorbereitet, doch er brachte es nicht übers Herz, sein Land zu verlassen.
Gemeinsam mit seiner Frau und seinem zwölfjährigen Sohn harrt Serhii Kaliuzhnyi in einem Schutzbunker aus. Sein Heimatort Ljubotin liegt rund 25 Kilometer entfernt von Charkiw, der Stadt, in der nun auch Straßenkämpfe zwischen ukrainischen Kräften und russischen Soldaten wüten. Auch sie wurden von den Luftangriffen getroffen. Bodentruppen kamen noch nicht bis zu ihnen - vielleicht nur eine Frage der Zeit.
"Mitten in der Nacht gab es einen Luftangriff. Ich konnte nicht schlafen, habe Nachrichten geschaut. Meine Frau und mein Sohn waren im Bett", berichtet Serhii am Telefon. Die Verbindung ist ziemlich schwach, er versuche es in einer anderen Ecke. Dann erzählt er weiter: "Ich habe einen Jet gehört, und auf einmal hat mein Haus so stark gebebt, dass ich dachte, es stürzt ein."
Dann wird er still, er sagt etwas auf Ukrainisch, bevor er leise weiterspricht: "Entschuldigen Sie. Ich schlafe nicht gut und muss mich sehr konzentrieren beim Englischreden." Die ersten Nächte seit den russischen Angriffen auf die Ukraine habe er gar nicht geschlafen, letzte Nacht ein bisschen, zu groß die Erschöpfung: "Ich bin einfach müde, mein Körper ist so müde, so erschöpft. Müde von der Angst und zu müde, um noch mehr Angst zu haben."
Eigentlich wollte er mit seiner Familie fliehen. Alles war vorbereitet: "Nur zwölf Stunden vor den Angriffen habe ich mein Auto und einen extra Kanister vollgetankt." Auch alle Dokumente hatte er zusammen. Für ihn war klar: "Wenn der Krieg beginnt, musst du am ersten Tag fliehen. Denn dann sind die Menschen geschockt und wissen nicht, was sie tun sollen."
Doch am Tag nach den ersten Angriffen im Land musste seine Frau dringend in die Schule, in der sie arbeitete. Als sie mittags nach Hause kam, war es zu spät für eine lange Autofahrt. "Am zweiten Tag war schon so ein Chaos, und am dritten Tag war es schon unmöglich zu fliehen." Als Präsident Selensky erklärte, dass alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen dürfen, war die Entscheidung gefallen.
"Doch es war auch etwas in mir, das mich davon abhielt zu gehen. Ich habe das Gefühl, als ob ich hierbleiben soll."
Seine Frau bestärkte ihn: "Sie sagte mir, auch sie hätte keinen Frieden gehabt, wenn wir gegangen wären. Also haben wir entschieden: Wir werden hierbleiben. Auch wenn wir nicht wissen, was passieren wird."