Scholz schaltet sich in Missbrauchsdebatte ein
Süddeutsche Zeitung
Zehn Tage nach Veröffentlichung des Gutachtens für das Erzbistum München zeigt sich der Kanzler "sehr erschüttert". Die Aufklärung will er nicht allein der Kirche überlassen.
Mit zeitlicher Verzögerung hat sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die Debatte um Missbrauch in der katholischen Kirche eingeschaltet. "Der Bundeskanzler ist natürlich, wie viele andere auch, sehr erschüttert von den Erkenntnissen, die dort abermals zutage getreten sind", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Scholz dringe "auf eine klare Aufklärung der Vorwürfe", die auch politisch begleitet werden solle. "Es ist Konsens in der Bundesregierung, dass die Aufarbeitung von Fällen strukturierten Kindesmissbrauchs nicht Institutionen allein überlassen werden darf", sagte der Regierungssprecher.
Scholz ist der erste deutsche Spitzenpolitiker, der sich zum jüngsten Missbrauchsgutachten zur katholischen Kirche äußert. Vor rund zehn Tagen hatte eine Münchner Anwaltskanzlei ein Gutachten für das Erzbistum München und Freising vorgelegt. Vor allem relativierende Aussagen des früheren Münchner Erzbischofs und heute emeritierten Papstes Benedikt XVI. zu sexuellem Missbrauch und die Tatsache, dass er eine entscheidende Angabe in den Antworten an die Gutachter nachträglich korrigieren musste, lösten große Erschütterung aus.
Missbrauchsgutachten
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