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Scholz als Favorit – Fünf Gründe für die Überraschung dieses Wahlkampfs
Die Welt
Olaf Scholz geht als Favorit in den Wahlsonntag – darauf hätte noch vor acht Wochen so gut wie niemand auch nur einen Cent gewettet. Jetzt geht ein Plan auf, der vor fast vier Jahren geschmiedet wurde, und an den sich die Sozialdemokraten am Ende fast sklavisch gehalten haben.
Einmal, vermutlich das einzige Mal in diesem langen Wahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten, geschieht etwas Außergewöhnliches, vielleicht nie Dagewesenes. Olaf Scholz steht gerade auf einer kleinen Bühne am Rande der Lüneburger Altstadt und referiert ausführlich über sein Lieblingsthema. Darüber, dass niemand sich für etwas Besseres halten oder auf andere herabblicken sollte. Darüber, dass ein Fabrikarbeiter die gleiche Anerkennung verdient habe wie ein Akademiker. Dass Politik überhaupt allen Menschen auf Augenhöhe begegnen soll.
„Respekt“ ist der zentrale Begriff dieser Wahlkampferzählung des Sozialdemokraten. In ihm, und darüber könnte Scholz noch viel länger reden, spiegeln sich aus seiner Sicht die guten und die schlechten Seiten der Gesellschaft ebenso wie Fehler und Erfolge seiner Partei. Scholz’ Denkansatz lässt sich so zusammenfassen: In dem Maße, in dem es der SPD gelingt, auch jenen Menschen wieder mit Respekt entgegenzutreten, deren Ziel es nicht ist, sich auf dem ersten, zweiten oder dritten Bildungsweg nach oben zu arbeiten, in dem Maße kann die Partei auch deren Anerkennung gewinnen. Und vielleicht Wahlen.