
Schewa, der Halb-Italiener
Frankfurter Rundschau
Die Fußballlegende ist stark geprägt von seiner erfolgreichen Zeit als Profi beim AC Mailand. Im Viertelfinale gegen England peilt er mit der Ukraine die große Überraschung an.
Ob Andrej Schewtschenko auch schon mal die Sehenswürdigkeiten von Rom abgeklappert hat? Während Touristen ja unbedingt Colosseo, die berühmte Arena der Antike, Campidoglio, den Kapitolsplatz, oder Fontana di Trevi, den berühmten Brunnen, besichtigt haben wollen, führte es ihn zumeist ins Stadio Olimpico. Insgesamt sieben Jahre, von 1999 bis 2006, verbrachte der Nationaltrainer der Ukraine in der Serie A. Seine beste Zeit als Fußballer erlebte der edle Techniker in Italien. Sein Spiel, voller Ästhetik, mit dem Faible für Raum und Zeit, war wie maßgeschneidert dafür, um die Herzen auch jener Tifosi zu erobern, die nicht zum AC Milan hielten. Im rot-schwarzen Dress setzte „Schewa“ zeitweise die Maßstäbe: Champions-League-Sieger 2003, Europas Fußballer des Jahres 2004. Und als er in Mailand auch noch das Model Kristen Pazik kennenlernte, die Tochter eines ehemaligen amerikanischen Baseball-Pitchers, und die beiden nach einigen gemeinsamen Jahren ohne Trauschein fast unbemerkt in einem Golfklub in Washington D.C. heirateten, war er endgültig ein halber Italiener. So manche Episode von damals wird nun wieder hervorgeholt, wenn der berühmteste Fußballer der Ukraine zum EM-Viertelfinale gegen England (Samstag 21 Uhr/ARD) in die Hauptstadt seiner einstigen Wahlheimat zurückkehrt. Der Weltmann, adrette Kleidung, sportliche Figur, feiner Teint, war damals wie heute bester Botschafter eines nicht nur wegen des kriegerischen Konflikts mit Russland oft leidgeplagten Landes. Wie sehr die 41 Millionen Einwohner nach einem verbindenden Erlebnis lechzen, machte eine vor Pathos nur so strotzende Facebook-Botschaft von Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj nach dem Viertelfinaleinzug deutlich. Die identitätsstiftende Facette des Fußballs war bereits bei der von Ukraine und Polen gemeinsam ausgerichteten EM 2012 zu erleben, als die ukrainische Nationalelf im Olympiastadion von Kiew die Schweden mit 2:1 schlug. Doppeltorschütze damals, der zwischen Olympiastadion und Prachtmeile Kreschatik ein mittleres Erdbeben auslöste: eben Schewtschenko. Der Nationalheld.More Related News