
Saudi-Arabien: Sportswashing mit Formel 1
DW
Die Formel 1 macht an diesem Wochenende erstmals Station in Saudi-Arabien. Menschenrechtsorganisation sehen hinter dem Grand Prix in Dschidda ein klares Kalkül der saudischen Machthaber.
Lina Al-Hathlul wird in ihrer Botschaft an den niederländischen Formel-1-Star Max Verstappen deutlich. "Sie haben nun die Wahl: Sie können teilnehmen und das saudische Regime und die Inhaftierung und Folterung von Aktivisten wie meiner Schwester stillschweigend unterstützen. Oder Sie können sich für die Menschenrechte einsetzen und Ihre Stimme erheben, wenn Sie vor Ort sind", sagt die saudische Aktivistin in einem Appell an Verstappen, der über einen niederländischen Radiosender verbreitet wurde.
Lina lebt in Belgien, ihre Schwester Ludschain al-Hathlul, eine saudische Frauenrechtlerin, wurde im vergangenen Februar nach 1001 Tagen hinter Gittern aus der Haft entlassen. Die 32-Jährige hatte sich unter anderem dafür eingesetzt, dass in ihrer Heimat das Fahrverbot für Frauen aufgehoben wurde. Drei Wochen vor der Reform im Jahr 2018 war Ludschain al-Hathful verhaftet und später vom höchsten Terrorgericht zu fünf Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Sie gehört zu einigen Frauenrechtlerinnen, die 2021 zwar freikamen, allerdings nur auf Bewährung. Außerdem dürfen sie Saudi-Arabien in den nächsten Jahren nicht verlassen.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International weisen darauf hin, dass trotz einiger Sozialreformen in Saudi-Arabien weiterhin Menschenrechte massiv verletzt werden. Nach ihren Angaben sind immer noch viele Oppositionelle und friedliche Aktivisten im Gefängnis, einige von ihnen würden gefoltert, heißt es. Die Machthaber in Riad nutzten Großveranstaltungen wie den ersten Formel-1-Grand-Prix in der Geschichte des Landes, um "die miserable Menschenrechtsbilanz des Landes weiß zu waschen", wie es Human Rights Watch formuliert.
Nach dem Formel-1-Qualifying am Samstag ist auf dem Kurs in Dschiddah ein Konzert mit Superstars wie Justin Bieber und David Guetta geplant. Zahlreiche Appelle von Musikfans in den sozialen Netzwerken an die Stars, auf den Auftritt in Saudi-Arabien zu verzichten, werden daran wohl nichts ändern.
Nach dem Rennen in Katar vor zwei Wochen macht der Formel-1-Zirkus erneut in einem Golfstaat Station, dem "Sportswashing" nachgesagt wird, Imagepolitur über den Sport. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Nichtregierungsorganisation "Grant Liberty" hat Saudi Arabien seit 2014 rund 1,5 Milliarden US-Dollar investiert, um mit dem Glanz des Sports Menschenrechtsverletzungen zu übertünchen - sei es mit dem Box-WM-Kampf im Schwergewicht zwischen Anthony Joshua und Andy Ruiz Jr., der Übernahme des englischen Fußball-Erstligisten Newcastle United, hoch dotierten Pferdesport-, Golf- oder Schachveranstaltungen.