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Sasha Marianna Salzmann „Im Menschen muss alles herrlich sein“: Der Fleischwolf
Frankfurter Rundschau
Sasha Marianna Salzmanns Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“ erzählt vom Leben in und nach der Sowjetunion
Im Menschen muss alles herrlich sein“ ist ein Zitat aus „Onkel Wanja“ – statt „herrlich“ heißt es in deutschen Übersetzungen meistens etwas weniger euphorisch „schön“ –, und es tritt in dem gleichnamigen Roman von Sasha Marianna Salzmann mindestens ambivalent auf. Ausgesprochen wird es in einer Szene, in der ein bornierter sowjetischer Arzt einen Studenten rügt, was den Studenten wenig beeindruckt. „Ich kann diesen Mist von Tschechow nicht mehr hören. Bei jeder verdammten Gelegenheit zitieren diese Zurückgebliebenen aus Onkel Wanja.“ Kommentiert wird es Jahrzehnte später indirekt von der jungen Nina, die bereits in Deutschland geboren wurde: „Wenn ich mir die Erinnerungstexte der ehemaligen Sowjetmenschen anschaue, habe ich das Gefühl, sie haben nie miteinander gesprochen und wissen gar nicht, dass ihre Realitäten so grundlegend verschieden waren. Dass sie zum Teil völlig unterschiedliche Leben gelebt haben in einem Land, von dem es hieß, es gäbe nur den einen Weg, nur eine Möglichkeit. Und sie werden es auch nie erfahren, weil sie miteinander nur in Zitaten von Schriftstellern reden, die vor Hunderten von Jahren gestorben sind.“ „Im Menschen muss alles herrlich sein“ erzählt davon, dass Menschen oft nicht miteinander sprechen können, obwohl sie, jedes Kapitel des Romans macht das deutlich, so viel erleben, empfinden und erwägen. Und davon, dass im Menschen durchaus nicht alles herrlich ist. Das verhindern schon die Umstände. Die Umstände stellen sich in der Situation selbst anders dar als im Rückblick. Zwingender oder harmloser, schlimmer oder weniger schlimm. Im Nachhinein ist das schwer nachzuvollziehen, das ist wohl eine Ursache für die Sprachlosigkeit, die besonders zwischen den Generationen herrscht. Nur beim Lesen ergibt sich sinnfälligerweise die Möglichkeit, allen in Ruhe zuzuhören. Dass Salzmann, mit Theaterstücken bekannt geworden, bevor der erste Roman erschien („Außer sich“), überzeugende Dialoge schreibt, heißt nicht, dass die Figuren wirklich miteinander reden würden. Aber sie haben etwas zu sagen.More Related News