Sang- und klanglos
Frankfurter Rundschau
Valery Gergiev schweigt erwartungsgemäß und verliert seinen Posten bei den Münchner Philharmonikern – und wie nun weiter?
In einer solchen Angelegenheit haben die Münchner Philharmoniker Übung. Auch wenn das vergangene Mal tragische Gründe hatte: Nach dem plötzlichen Tod von Chefdirigent Lorin Maazel im Jahr 2014 musste das Orchester in Windeseile Ersatzdirigenten suchen und fast die gesamte Spielzeit umwerfen. Mit Erfolg. Mehr noch: Das Team um Intendant Paul Müller gewann in dieser schwierigen Phase enorm an Format, Erfahrung und Selbstsicherheit.
Diese drei Tugenden können die Philharmoniker nun, nach dem Rauswurf von Chefdirigent Valery Gergiev, gut gebrauchen. Erwartungsgemäß hat sich der russische Dirigent nicht von Putins Angriffskrieg distanziert, viel weniger: Gergiev hat gar nicht auf das Ultimatum der Stadt München reagiert, das Montagnacht, Schlag 24 Uhr, abgelaufen war. „Es wird damit ab sofort keine weiteren Konzerte der Münchner Philharmoniker unter seiner Leitung geben“, teilte Oberbürgermeister Dieter Reiter am Dienstag um 9.45 Uhr mit.
„Ich hätte mir erwartet, dass er seine sehr positive Einschätzung des russischen Machthabers überdenkt und revidiert“, schreibt der SPD-Politiker. „In der aktuellen Situation wäre aber ein klares Signal für das Orchester, sein Publikum, die Öffentlichkeit und die Stadtpolitik unabdingbar gewesen, um weiter zusammenarbeiten zu können.“ Alles Weitere werde man so schnell als möglich klären.
Dieses „Weitere“ jedoch hat es in sich. Juristisch gesehen kündigt die Stadt den Vertrag mit ihrem Chefdirigenten einseitig auf. Das bedeutet: Sie muss ihn eigentlich bis Vertragsende im Sommer 2025 auszahlen. Zwar wurde über Gergievs Honorar Stillschweigen vereinbart. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich bei der noch ausstehenden Zahlung um eine Summe im unteren siebenstelligen Bereich handeln dürfte.
Die Philharmoniker verlieren einen Chef, der sich für die finanzielle Ausstattung des Ensembles eingesetzt hat. Überdies war der 68-Jährige eine treibende Kraft bei der Gasteig-Sanierung und der Errichtung der Isarphilharmonie. Vor allem Gergiev war es zu verdanken, dass Star-Akustiker Yasuhisa Toyota die Klang-Ausstattung quasi als Freundschaftsdienst besorgte.