Söders Kehrtwende kam plötzlich
Süddeutsche Zeitung
Der Ministerpräsident will die Impfpflicht für Personal im Gesundheitswesen nicht umsetzen und wird dafür von vielen Seiten kritisiert. Tatsächlich hat die Staatskanzlei diese Maßnahme bis vor wenigen Tagen selbst noch eindringlich verteidigt.
Eines hat Markus Söder auf jeden Fall geschafft: Über seine CSU wird wieder deutschlandweit gesprochen. Bayern will die Impfpflicht für Personal im Gesundheitswesen Mitte März nicht umsetzen. Es werde "großzügigste Übergangsregelungen" geben, "de facto zunächst einmal ein Aussetzen des Vollzugs", hatte der CSU-Chef am Montag nach einer Sitzung seines Parteivorstands gesagt. Damit hat er die Bundesregierung offenkundig überrumpelt, aus den Ländern gab es Zuspruch wie Kritik, die medizinische und juristische Fachwelt diskutiert.
Derweil stellt sich in Bayern die Frage nach der Genese dieser Entscheidung. Warum und wann kam es zu dem Schwenk, war es gar eine Hauruck-Aktion? Ein Briefwechsel des Söder-Vertrauten und Staatskanzleichefs Florian Herrmann (CSU) mit einem Landrat, der nun publik wurde, deutet zumindest auf eine kurzfristige Kehrtwende hin.
Alle Meldungen zur aktuellen Coronavirus-Lage in Deutschland und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Kostenlose Anmeldung unter sz.de/morgenabend. In unserer Nachrichten-App (hier herunterladen) können Sie den Nachrichten-Newsletter oder unsere Eilmeldungen auch als Push-Nachricht abonnieren.
Im Januar hatte der Kreistag Straubing-Bogen eine Resolution beschlossen: Der Landrat möge sich beim Ministerpräsidenten dafür einsetzen, dass "die selektive Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen zurückgenommen wird". Denn die "ohnehin schon prekäre Personalsituation" in der Pflege und in Kliniken würde sich durch den Wegfall Nicht-Geimpfter "wohl weiter verschärfen".
Das Schreiben des Landrats Josef Laumer (CSU) wurde von Herrmann beantwortet und unterzeichnet: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei "ein wichtiger Schritt für den Schutz vulnerabler Personengruppen in der Covid-19-Pandemie", schrieb er. Bund und Länder hätten sich die Entscheidung darüber "nicht leicht gemacht", dabei seien Bedenken wie die aus Straubing berücksichtigt worden. Der Blick in europäische Nachbarländer zeige aber, "dass diese Sorgen zumeist unbegründet sind".