Russlands Oligarchen: Wer sind sie und welchen Einfluss haben sie auf Putin?
RTL
Wer sind die Oligarchen, wie kamen sie an ihr gigantisches Vermögen und ihren Einfluss in Politik und Wirtschaft? Hätten sie die Macht, Putin zu stoppen?
Nach dem Einmarsch in die Ukraine haben die USA, die EU und viele andere Länder Sanktionen gegen Russland verhängt. Diese richten sich nicht nur gegen Politiker und Unternehmen, sondern auch gegen reiche und mächtige Einzelpersonen, die sogenannten Oligarchen. Die Intention dabei: Indem ihre Vermögenswerte in den USA und Europa beschlagnahmt oder eingefroren werden, sollen sie dazu bewegt werden, Druck auf den russischen Präsidenten auszuüben, damit er den Krieg beendet.
Doch wer und was sind diese Oligarchen, wie kamen sie an ihr gigantisches Vermögen und ihren Einfluss in Politik und Wirtschaft. Und haben sie überhaupt die Macht, Putin zum Einlenken zu bewegen?
Lese-Tipp: Alle aktuellen Informationen rund um den Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit im Liveticker
Schon griechische Staatstheoretiker und Philosophen wie Platon, Aristotelis und Polybios beschäftigten mit der Staatsform der Oligarchie. Das Wort geht auf das altgriechische ὀλιγαρχία (oligarchia) zurück, setzt sich zusammen aus den Worten ὀλίγοι (oligoi "wenige") und ἀρχή (archē "Herrschaft, Führung") und bedeutet somit "Herrschaft weniger". Es beschreibt ursprünglich die Entartung der Aristokratie. Während Aristokratie ursprünglich die Herrschaft einiger Befähigter zum Wohle des Volkes beschreibt, bedeutet Oligarchie die Herrschaft zum Eigennutz. In der modernen Zeit beschreibt das Wort eine Elite, die aufgrund ihrer Position oder ihres Amtes Macht und Einfluss ausüben, wie zum Beispiel Industriemanager, Großaktionäre, hohe Militärs oder Verleger.
Die Bedeutung, die das Wort "Oligarch" heute hat, bekam es mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion in den Jahren 1990 und 1991. Innerhalb sehr kurzer Zeit wurde das sozialistische Wirtschaftssystem der UdSSR durch ein kapitalistisches ersetzt. Nur sehr wenige hatten das notwendige Kapital oder das Wissen, um von dieser Entwicklung zu profitieren. Einige kamen durch den Schmuggel westlicher Waren zu Reichtum, andere nutzten das entstandene wirtschaftliche Chaos, um sich ehemaliges Staatseigentum anzueignen, da über die Besitzverhältnisse häufig Unklarheit herrschte. In kürzester Zeit war es ihnen so möglich, zu großem Reichtum zu gelangen. Zudem profitierten sie von der Korruption innerhalb der neuen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen und gewannen so an politischem Einfluss.
Auffällig ist, dass einige unter Präsident Boris Jelzin sehr mächtige und einflussreiche Oligarchen unter Wladimir Putin an Bedeutung verloren und regelrecht entmachtet wurden. Die prominentesten Beispiele sind Boris Beresowski und Michail Chodorkowski. Beide hatten in der Ära Jelzin großen Einfluss auf die Politik. Gemeinsam mit fünf weiteren Oligarchen riefen sie zur Präsidentenwahl 1996 die "Sieben-Bankiers-Bande" ins Leben, die sich zum Ziel setzte, den in Umfragen stark schwächelnden Präsidenten im Amt zu halten – mit viel Geld und wohlwollender Berichterstattung durch die von ihnen kontrollierten Fernsehsender.
Nicht ohne Gegenleistung – nach Jelzins Sieg konnten die Oligarchen stets auf ein offenes Ohr beim Präsidenten zählen und Entscheidungen zu ihren Gunsten beeinflussen. Oder wie es Beresowski in der Arte-Dokumentation "Die Oligarchen: Aufstieg und Fall einer russischen Elite" von 2005 ausdrückt: "Ich habe es nie bestritten, in Russland ist die profitabelste Investition eine Investition in die Politik. Ich habe nie vorgegeben aus selbstlosen Motiven zu handeln."
Als Jelzin schließlich am 31.12.1999 im Fernsehen seinen Rücktritt erklärte, waren es wieder diese Sieben, die ihn überzeugten, Wladimir Putin als Nachfolger einzusetzen, womit sie jedoch wider Erwarten ihr Ende besiegelten. Einer der unter Jelzin einflussreichen Oligarchen, Michail Tschernoi, beschreibt in der Dokumentation ein entscheidendes Treffen mit Putin: "Als wir versuchten, Putin Vorschriften zu machen nach dem Motto 'wir haben Dich an die Macht gebracht', da sagte er 'Leute, vergesst, was gestern war […] jetzt beginnt ein neues Zeitalter.'" Den Mächtigsten der "Sieben-Bankiers-Bande" legte Putin nahe, ihre Beteiligungen an russischen Unternehmen zu verkaufen. Wer das nicht freiwillig tat, wurde gezwungen. Das bekannteste Beispiel ist wohl Michail Chordorkowski, den Putin kurzerhand verhaften ließ.