Russland vor dem Staatsbankrott?
DW
Ratingagenturen wie Wirtschafsforscher sehen Russland unmittelbar vor dem Zahlungsausfall. Grund sind die scharfen Wirtschaftssanktionen gegen Moskau. Was bedeutet das für das internationale Finanzsystem?
An den Anleihemärkten geht es in Bezug auf Russland in diesen Tagen drunter und drüber. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagt der Anleihehändler Arthur Brunner. Er sitzt für die ICF Kursmakler in einer der runden Schranken auf dem Frankfurter Börsenparkett, und das seit etlichen Jahren. "In den 90er Jahren war Russland auch massiv unter Druck. Da hat Russland selbst die Anleihen am Markt aufgekauft zu Ramschpreisen. Heute ist allein schon die Abwicklung ein Problem."
Denn durch die Sanktionen der westlichen Staaten gegen Russland ist Moskau weitgehend von den internationalen Finanzmärkten abgeklemmt. Deswegen hat die Ratingagentur Fitch in der Nacht auf Mittwoch die Kreditwürdigkeit Russlands von 'B' auf 'C' abgestuft. Damit sind russische Staatsanleihen noch tiefer in den "Ramschbereich" abgetaucht. Fitch spricht nun davon, dass ein Zahlungsausfall Russlands "unmittelbar" bevorstehe.
Zuvor hatten in den vergangenen Tagen und Wochen auch andere Ratingagenturen ihren Daumen gesenkt und russische Anleihen abgestuft. Fitch begründet seinen jetzigen Schritt mit "Entwicklungen, die Russlands Bereitschaft zur Rückzahlung der Staatsschulden weiter untergraben haben". Damit meint die Agentur einen vor wenigen Tagen in Kraft getretenen Präsidialerlass, der es dem Land erlauben könnte, seine Verbindlichkeiten in Rubel statt in Fremdwährung zu begleichen.
Im Grunde könnte Russland alle Fälligkeiten bedienen. Die Staatskassen sind gut gefüllt - nicht zuletzt auf Grund der in den vergangenen Monaten bereits gestiegen Energiepreise auf den Weltmärkten. Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg schätzt die russischen Verbindlichkeiten bei ausländischen Gläubigern auf nur knapp 50 Milliarden Dollar. "Der russische Staat hat recht geringe Auslandsschulden", sagt Marcel Fratzscher gegenüber der DW, er ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Durch den Export von Öl und Gas habe Russland hohe Handelsüberschüsse erzielt und auf diese Weise seine Schulden in den vergangenen Jahren bewusst abbauen können. So liegen die russischen Zentralbankreserven bei 640 Milliarden Dollar. Doch ein Großteil dieser Devisenreserven im Ausland ist im Zuge der Sanktionen eingefroren. Daher glaubt auch Marcel Fratzscher an einen Zahlungsausfall Russlands in den kommenden Monaten.