Russland und Kasachstan: Gibt es einen Handelskrieg?
DW
Russische Medien berichten von Verstimmungen und einem beginnenden Handelskrieg zwischen Russland und Kasachstan. Kasachische Experten dementieren.
Auf dem jüngsten Sankt Petersburger Wirtschaftsforum stellte der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew in Anwesenheit des russischen Staatschefs Wladimir Putin klar: Sein Land werde eine Unabhängigkeit der "quasistaatlichen Gebiete Donezk und Luhansk", wie Tokajew es ausdrückte, nicht anerkennen. Dies wurde in Kasachstan allgemein positiv aufgenommen. Damit folgt der zentralasiatische Staat nicht der Entscheidung Russlands, das die selbsternannten "Volksrepubliken" im Donbass kurz vor Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine als unabhängige Staaten anerkannt hatte.
Auf Tokajews Äußerung folgten in russischen Medien Berichte über einen Handelskrieg zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken. Eine Reihe russischer Medien und Telegram-Kanäle hatten gemeldet, Russland schränke unter dem Vorwand, im Schwarzen Meer nach Minen aus dem Zweiten Weltkrieg zu suchen, den Export kasachischen Erdöls über die Hafenstadt Noworossijsk ein. Daraufhin erschienen Meldungen, Kasachstan blockiere im Gegenzug den Transit von 1700 mit Kohle beladene Waggons der Russischen Eisenbahn.
Die Kasachische Eisenbahn teilte dagegen mit, in Kasachstan gebe es gar keine 1700 Waggons mit russischer Kohle. Und in einer Pressemitteilung des kasachischen Ministeriums für Industrie und Infrastruktur heißt es, die Meldungen aus Russland über die Blockade russischer Kohletransporte würden bewusst auf eine "Diskreditierung der gutnachbarlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern" abzielen.
Die Berichte über einen mutmaßlichen Handelskrieg sorgten in Kasachstan für Verwunderung. Denn Energieminister Bolat Aktschulakow hatte noch vor dem Petersburger Wirtschaftsforum im kasachischen Fernsehen eine Wartung der betreffenden Ölpipeline im Hafen Noworossijsk für die zweite Junihälfte angekündigt. "Leider sind noch nicht alle Weltkriegsminen geräumt. Die Pipeline verläuft zum Teil auf dem Meeresgrund. Die Arbeiten unter Wasser können erst beginnen, wenn mögliche Unfälle durch Minen aus dem Zweiten Weltkrieg ausgeschlossen werden können", erläuterte damals Aktschulakow.
Kasachische Experten, mit denen die DW gesprochen hat, glauben nicht an einen russisch-kasachischen Handelskrieg. Der Abgeordnete der regierenden Partei "Amanat" (ehemals "Nur-Otan"), Kanat Nurow, meint, Kasachstan sei von Russland logistisch abhängig. Fast die gesamten kasachischen Öl- und Gasexporte nach Europa würden über Russland gehen. "Wir sind in der Tat geopolitische Partner und strategische Verbündete der Russischen Föderation. Wir wahren nicht nur Neutralität, sondern sind auch Mitglied der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit und der Eurasischen Wirtschaftsunion", sagt Nurow und spricht von einer teilweisen Integration der beiden Ländern auf politischer und militärischer Ebene, und nennt als Beispiel die Luftabwehr.