Russland-Politik: Merkel will sich nicht entschuldigen
ProSieben
Ein halbes Jahr war Angela Merkel weitgehend abgetaucht. Jetzt meldet sie sich zurück. Wer von ihr Reue in Sachen Russland erwartet hat, wird enttäuscht.
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Russland-Politik in den 16 Jahren als Regierungschefin vehement verteidigt. Eine Entschuldigung für den von vielen als zu nachsichtig gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kritisierten Kurs lehnte sie am Dienstagabend in Berlin in ihrem ersten großen Interview seit dem Ausscheiden aus dem Amt ab. «Also ich sehe nicht, dass ich da jetzt sagen müsste: Das war falsch, und werde deshalb auch mich nicht entschuldigen.»
Merkel hatte am 8. Dezember ihre Amtsgeschäfte an den SPD-Politiker Olaf Scholz übergeben und war danach weitgehend abgetaucht. Fast genau ein halbes Jahr später kehrt sie nun auf öffentliche Bühnen zurück. In der vergangenen Woche hielt sie beim Abschied des langjährigen DGB-Chefs Reiner Hoffmann vor mehr als 200 Gästen die Laudatio. Am Dienstagabend wurde sie im Berliner Ensemble, dem Brecht-Theater am Bahnhof Friedrichstraße, vom Journalisten Alexander Osang fast 100 Minuten befragt.
Und? Wie geht es ihr jetzt? Als Bürgerin Angela Merkel? «Heute geht es mir persönlich sehr gut», sagt die 67-Jährige, die die letzten Monate mit Spaziergängen an der Ostsee, mit dem Lesen und Hören von Büchern und mit Urlaub in Italien verbracht hat.
Hört sich gut an, wäre da nicht das, was Merkel «Zäsur» und andere «Zeitenwende» nennen. «Ich bleibe natürlich auch ein politischer Mensch und deshalb bin ich in diesen Tagen so wie viele, viele andere auch manchmal bedrückt.» Gemeint ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, den der russische Präsident Wladimir Putin angezettelt hat. Die deutsche Russland-Politik der letzten zwei Jahrzehnte, die Merkel maßgeblich bestimmt hat, liegt in Scherben.
Anders als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Anfang April öffentlich Fehler eingeräumt hat, steht Merkel aber zu ihrem Kurs. Inwieweit hat sie dazu beigetragen, eine Eskalation mit Russland zu verhindern? «Ich habe es glücklicherweise ausreichend versucht. Es ist eine große Trauer, dass es nicht gelungen ist», sagt sie.