Russland muss sich in Den Haag verantworten
ZDF
Die Ukraine hat Russland verklagt und der Chefankläger des Weltstrafgerichts ermittelt wegen Kriegsverbrechen.
Während in Kiew, Charkiw und Mariupol weiter der Russland-Ukraine-Krieg tobt, treffen rund 2.000 Kilometer entfernt im niederländischen Den Haag am heutigen Montag Anwälte der Ukraine und Russlands bei einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof aufeinander.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) ist das zentrale Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen. Ein Staat kann dort einen anderen Staat verklagen, weil dieser völkerrechtliche Verpflichtungen nicht einhält.
Dass Russlands Invasion in der Ukraine gegen das Völkerrecht verstößt, darüber sind Fachleute sich weitgehend einig. Der Fall scheint also klar. Doch Russland hat die Gerichtsbarkeit des IGH nicht generell anerkannt und wird sich auch nicht freiwillig auf das Verfahren einlassen.
Die Hintertür, durch die die Anwälte der Ukraine trotzdem ein IGH-Urteil gegen Russland erwirken wollen, ist die UN-Genozid-Konvention. Darin wird Genozid - also der Völkermord, mit dem eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ausgelöscht werden soll - zum internationalen Verbrechen erklärt. Für Streitfragen im Zusammenhang mit dieser Konvention hat auch Russland die Zuständigkeit des IGH akzeptiert.
Damit kann es in dem Verfahren der Ukraine gegen Russland vor dem IGH aber auch nur um Fragen eines Genozids gehen. Die Ukraine kann nicht direkt beanstanden, dass Russland einen illegalen Angriffskrieg gegen sie führt.
Die ukrainischen Anwälte argumentieren deswegen in zwei Richtungen. Einerseits werfen sie Moskau vor, selbst einen Völkermord an ukrainischen Bürgern zu planen, und beantragen Sofortmaßnahmen zum Schutz der ukrainischen Bevölkerung. Dass aber der IGH das russische Vorgehen als Genozid bewertet, ist unwahrscheinlich. Dazu müsste es Russland darum gehen, das ukrainische Volk, das viele Russen als Brudervolk ansehen, zu vernichten.
Das zweite Argument der Ukraine: Russland unterstelle seinerseits der Ukraine zu Unrecht einen Genozid. Denn der russische Präsident Putin rechtfertigt seinen Angriff als Nothilfe für die Bevölkerung im Donbass gegen einen vermeintlichen Völkermord durch die ukrainische Regierung.